In Rudersberg-Zumhof bewegt sich der Untergrund, teilweise hat sich der Boden um einen halben Meter gehoben. Die Ursache sind missglückte Erdwärmebohrungen. Der Umweltminister Franz Untersteller hat sich die Schäden angeschaut.

Rudersberg - Die beunruhigenden Geräusche im eigenen Haus haben dem Ehepaar Seitter aus Rudersberg-Zumhof schon manche schlaflose Nacht bereitet. „Das Haus arbeitet ständig, wir sitzen wie auf einem Pulverfass“, sagt Friedemann Seitter am Montagnachmittag zu Franz Untersteller. Der grüne Umweltminister schaut sich das Problem beim Vor-Ort-Termin an: die Risse im Haus, das sich als Folge von missglückten Erdwärmebohrungen bewegt, die abgerissene Wasserleitung, das geborstene Abwasserrohr, den Schimmel, der durch versickertes Wasser entstanden ist. Die größte Angst von Friedemann Seitter ist, dass die im Garten verlaufende Gasleitung Schaden nimmt: „Wir getrauen uns nicht mehr, im Garten zu grillen.“

 

Auch die Nachbarn rundum klagen über Probleme – Fenster, die sich nicht mehr öffnen lassen, Terrassen, die von Häusern wegwandern. Im Rudersberger Teilort Zumhof ist der Untergrund ständig in Bewegung, der Boden hat sich an manchen Stellen schon mehr als 50 Zentimeter gehoben, weil eine Firma bei Erdwärmebohrungen in den Jahren 2007 und 2008 offenbar geschludert hat. Einen abgebrochenen Bohrer hatte man zum Beispiel in 70 Metern Tiefe stecken lassen und das Bohrloch nicht wie üblich mit Zement abgedichtet. Da der Weiler Zumhof auf einer Gipskeuperschicht steht, hat das fatale Folgen: Grundwasser gelangte in die Gipskeuperschicht, wo es mit dem Mineral Anhydrit, einem wasserlosen Gips, in Kontakt kam, der dadurch aufquoll wie ein Hefeteig. Auch im benachbarten Schorndorf, in Staufen im Breisgau, in Leonberg-Eltingen und in Renningen (Landkreis Böblingen) haben Erdwärmebohrungen dazu geführt, dass der Untergrund mächtig in Bewegung geraten ist. „Der Rems-Murr-Kreis ist ein gebranntes Kind, was die Geothermie angeht“, sagt der Landrat Johannes Fuchs beim anschließenden Gespräch vor Bürgern im Dorfgemeinschaftshaus Zumhof. Er betont, dass in beiden Fällen die beauftragten Firmen nicht bestimmungsgemäß verfahren seien – nur deshalb sei es zu den Problemen gekommen.

Der Umweltminister verweist auf das Verursacherprinzip

Auch Minister Franz Untersteller weist eine Verantwortung der Politik für die missglückten Bohrversuche von sich und nimmt gar seine Vorgängerin Tanja Gönner (CDU) in Schutz. Die Genehmigungen seien von den Behörden nach dem jeweiligen Stand der Technik erteilt worden, Schuld trügen jene, die sich nicht an die Vorschriften gehalten hätten. Für ihn sei klar, dass das Verursacherprinzip gelten müsse, und der Fehler liege im Fall Zumhof bei der Bohrfirma, ist Unterstellers Antwort auf die Forderung von Klaus Neuzer von der Interessengemeinschaft der Geothermiegeschädigten, die lautet: „Wir erwarten, dass die Politik eine Lösung schafft, damit wir wieder Ruhe bekommen.“

Auch Rolf Rommel, der die Interessen der Erdwärmesondeninhaber vertritt, ist der Meinung, das Land könne „sich nicht mit dem Verursacherprinzip aus der Verantwortung verabschieden“. Er regte ein „Pilotprojekt“ in Zumhof an, bei dem die noch im Boden befindlichen Sonden gegen Erdwärmekörbe ausgetauscht werden. Das Land solle den Austausch „als Wiedergutmachung“ fördern. Die Verantwortung der Politik bestehe darin, Konsequenzen aus den Problemen zu ziehen, was man in Form neuer Qualitätsleitlinien bereits getan habe und mit zwei nun in Auftrag gegebenen Forschungsvorhaben auch künftig tue, sagt Untersteller. Dann muss er weiter zum nächsten Termin, vorbei an dem Plakat, das ein Unbekannter unter dem Ortsschild angebracht hat: „Politiker kommen und gehen – Probleme bleiben bestehen.“