Präsident Zuma hat das Land am Kap der Guten Hoffnung in eine tiefe Krise geführt: Die Korruption greift um sich, die Wirtschaft ist dramatisch eingebrochen. Nun könnte das Parlament den umstrittenen Präsidenten stürzen.

Stuttgart - Südafrikas Parlamentspräsidentin Baleka Mbete hat die wohl folgenreichste Entscheidung ihrer politischen Laufbahn getroffen: Sie hat festgelegt, dass das Parlament des Landes über den Misstrauensantrag gegen den umstrittenen südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma am heutigen Dienstag geheim abstimmen darf. Damit sind die Chancen gestiegen, dass dies Zumas letzter Arbeitstag als Südafrikas Staatschef werden könnte.

 

In letzter Minute entschied sich Mbete für eine geheime Wahl – wohl vor allem aus pragmatischen Gründen. Hätte sie für eine offene Abstimmung votiert, wären die oppositionellen Economic Freedom Fighter (EFF) gleich wieder vor das Verfassungsgericht gezogen, und die Parlamentspräsidentin hätte ihre Entscheidung vermutlich revidieren müssen. Schon einmal wurde die Zuma-Vertraute vom höchsten Gericht des Landes korrigiert, als sie behauptet hatte, gar keine geheime Wahl anberaumen zu können – die Verfassungsrichter belehrten sie eines Besseren.

Chaos am Kap der Guten Hoffnung

Mbete wäre eine offene Abstimmung gewiss lieber gewesen, denn offen würde wohl kaum einer der 246 ANC-Abgeordneten ihrem Parteichef das Vertrauen entziehen. Dabei halten viele von ihnen Zuma selbst für unfähig. Und bleibt der umstrittene Präsident im Amt, könnte der ANC, die über einhundertjährige Organisation, die unter Nelson Mandela das Rassistenregime in die Knie zwang, seine Glaubwürdigkeit als Partei des Volkes vollends verlieren. Doch noch bringt die bröckelnde Partei genug Entschlossenheit auf, um den Fraktionszwang durchzusetzen: Wer mit der Opposition gegen Zuma wählt, so die Drohung, habe sein Mandat verwirkt und kann vom ANC unverzüglich abberufen werden. Südafrika ist eine Parteiendemokratie mit Verhältniswahlrecht: Die Abgeordneten werden nicht direkt ins Parlament gewählt, sondern über eine Parteiliste entsandt. Das Verfassungsgericht stellte kürzlich zwar klar, dass die Parlamentarier trotzdem ihrem Gewissen verpflichtet sind und sich im Konfliktfall nicht auf die Parteidisziplin berufen sollten – vor einem Rausschmiss schützt sie das allerdings nicht.

Jetzt, wo die Abstimmung geheim ist, könnten zahlreiche ANC-Funktionäre ihrem Gewissen folgend dem Präsidenten das Vertrauen entziehen: Knapp 50 der 246 ANC-Stimmen sind nötig, um mit den Stimmen der Opposition den Präsidenten in den Ruhestand zu schicken. Dass das tatsächlich geschieht, ist allerdings eher unwahrscheinlich.

Viele ANC-Abgeordnete, die bereits offen ihr Missfallen an der korrupten Herrschaft Zumas ausgedrückt haben, wollen dennoch nicht mit der Opposition für dessen Dienstenthebung votieren: Wenn überhaupt, so wolle man ihn selbst entmachten und nicht dem politischen Gegner den Triumph überlassen, heißt es. ANC-Fraktionssprecher Jackson Mthembu, der ansonsten zu den Zuma-Kritikern zählt, verglich ein erfolgreiches Misstrauensvotum gar mit dem Abwurf einer Atombombe: Der Fall der Regierung würde Südafrika ins Chaos stürzen – als ob das Kap der Guten Hoffnung nicht längst vom Chaos überwältigt worden wäre.

Zuma hat das Land in eine schwere Krise geführt

Zumas bislang gut achtjährige Amtszeit hat das neue Südafrika in die schlimmste Krise seiner 23-jährigen Geschichte gestürzt. Fast 200 000 E-Mails, die in den vergangenen Monaten von Journalisten ausgewertet und veröffentlicht wurden, lassen keinen Zweifel mehr daran zu, dass weite Teile der Regierung eng mit einer indischen Einwandererfamilie, den Guptas, zusammengearbeitet haben, um sich Milliarden Euro unter den Nagel zu reißen. Man müsse von einer „Parallelregierung“ sprechen, sagte der ehemalige Vizefinanzminister Mcebesi Jonas, dem die Guptas 600 Millionen Rand und den Job des Finanzministers angeboten hatten – für den Fall, dass auch er sich bei der Familie erkenntlich zeige. Als Jonas ablehnte, wurde er wie sein ehemaliger Chef, Pravin Gordhan, von Zuma entlassen.

Seitdem bricht die Wirtschaft zusammen, Südafrika ist in eine Rezession gestürzt, die Kreditwürdigkeit des Landes wurde auf Ramschstatus abgestuft. Zahlreiche Staatsbetriebe wirtschaftete das Gupta-Zuma-Syndikat bereits in den Ruin – wie beispielsweise den Stromkonzern Eskom, das Eisenbahnunternehmen Transnet sowie die Fluggesellschaft SAA. Heute könnten Zigtausende Südafrikaner in den Straßen von Kapstadt und Johannesburg feiern.