Der Württembergische Kunstverein in Stuttgart präsentiert unter dem Motto „Könnte aber doch“ die Jahresausstellung der Mitglieder. Die Auswahl überzeugt.

Stuttgart - In einer Welt vermeintlicher Fake-News und alternativloser Positionen, die sich unverrückbar gegenüberstehen, einigten sich die Künstlerinnen und Künstler des Württembergischen Kunstvereins Stuttgart auf das Thema „Könnte aber doch“. So lautet der Titel ihrer am Freitag im Vierecksaal des Kunstgebäudes eröffneten Mitgliederausstellung, die alle zwei Jahre stattfindet und bewusst unkuratiert ist – als Bekenntnis zur Vielfalt der künstlerischen Positionen und als Gegengewicht zu den Setzungen der Direktoren Iris Dressler und Hans D. Christ, wie dieser selbst bekannte.

 

Christ ließ sich aus dem norwegischen Bergen zuschalten und verriet, dass die Wendung „Könnte aber doch“ einem Video von Alexander Kluge entnommen ist. Vor rund zwei Jahren war es ein unvergesslicher Beitrag der Ausstellung „Gärten der Kooperation“. Darin insistiert ein Kammersänger darauf, dass eine tragische Oper bei jeder Aufführung letztlich auch eine andere Wendung nehmen könnte.

Bewusst gibt es keinen Kurator

Diesem Möglichkeitssinn spüren nun rund 300 teilnehmende Künstlerinnen und Künstler in eigens dafür geschaffenen oder bereits entstandenen Werken nach, deren bunte Mischung auf den ersten Blick an das qualitativ allzu heterogene Angebot eines Kunst-Basars erinnert. Doch dann entpuppt sich gerade die Zusammenschau als anregende Fügung, die ein Netz an Bezügen herstellt und eigene Assoziationen weckt. Da gibt es eine Gruppe über Müll, kosmische und typografische Allianzen, Reflexionen über das Helfen in der Not, Beiträge über Migration und sogar eine Erotikecke. Die Möglichkeiten, sie verdichten sich zu einem Aufstand gegen die Zumutungen des aktuellen Weltgeschehens.

Ob lapidar oder komplex: Hier befindet sich jeder künstlerische Beitrag – egal ob Malerei, Grafik, Fotografie, Plastik, Video, Installation oder Text – in bester Gesellschaft. Es macht Spaß, diese mit der Hängung geschaffenen Umgebungskontexte, die ihrerseits als kreative Beiträge gelesen werden können, zu ergründen und weiterzuspinnen. Gerade weil sie nie vollendet sind, sondern dem genannten Möglichkeitssinn Raum geben.

Das Konzept geht auf

Dieses Prinzip der inhaltlichen Verknüpfungen geht auch deshalb auf, weil erstaunlich viele Kunstschaffende gegenständlich und konzeptionell arbeiten. Doch sollte man sich von scheinbar Traditionellem nicht täuschen lassen. So tragen etwa die geschnitzten Holzköpfe von Karen Bayer QR-Codes, die einen mit animierten Filmen verlinken und damit ins Digitale entführen.

Auch Jan-Hendrik Pelz‘ auf das Jahr 1938 datierte Ölgemälde „Hilfe mit dem Hemd“ legt mit zwei Jünglingen in Nazi-Montur eine falsche Fährte im Kunstverein. Die Figuren mögen auf den ersten Blick wie Napola-Sprösslinge wirken, ihre Gestik aber ist liebevoll intim und bringt sogar eine pazifistische, noch dazu homoerotische Haltung ins pseudohistorische Geschehen. So wird Geschichtliches im Stil der neuen Sachlichkeit überschrieben.

Nicht wenige Arbeiten machen sich den Titel der Ausstellung zu eigen. Etwa eine interaktive Installation von Patricia Otte, die den Besuchern erlaubt, Notizen zu hinterlassen und das Werk mitzugestalten. Erstaunlich, wie wenig Künstler diese Möglichkeit ausschöpfen. Die Präsentation aber bleibt nicht folgenlos für das jeweilige Werk. Es lässt sich kaum mehr auf sich allein gestellt denken.

Bis zum 22. September. Geöffnet: Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr. Mittwoch 11 bis 20 Uhr.