Die Mobilfunkbranche setzt große Hoffnungen auf das Bezahlen per Handy. Deutschland hinkt bei dieser Technologie allerdings hinterher. Zum einen gibt es Bedenken wegen der Sicherheit, zum anderen fehlen geeignete Kassenterminals.

Barcelona - Ohne Scheine, Münzen oder Plastikkarte – dafür mit dem Smartphone: So stellen sich zahlreiche Unternehmen das Bezahlen von morgen vor. Das Thema „Mobile Money“ – also mobiles Geld – ist auch auf dem am Donnerstag endenden Mobile World Congress (MWC) in Barcelona omnipräsent. Während sich digitale Bezahlsysteme in vielen Regionen der Welt bereits etabliert haben, wird die Technologie in Deutschland jedoch nur selten genutzt. Doch das könnte sich bald ändern, denn die großen IT-Firmen haben begonnen, in dieses wachsende Geschäftsfeld zu investieren und bringen damit Bewegung in den Markt.

 

So hat etwa der südkoreanische Konzern Samsung die Messebühne in Barcelona dazu genutzt, seinen mobilen Bezahldienst Pay vorzustellen. Nutzer sollen ihre Kreditkarten bei dem Dienst hinterlegen und dann mit dem Smartphone an der Kasse in Geschäften bezahlen können. Verifiziert wird per Fingerabdruckscanner, wie er etwa auch in den neuen, ebenfalls auf dem MWC präsentierten Samsung-Smartphones Galaxy S6 und S6 Edge zum Einsatz kommt. Die beiden Modelle sind auch die ersten Geräte, die den Dienst unterstützen. Samsung Pay wird voraussichtlich im Sommer 2015 in den USA starten. Sowohl Visa als auch Mastercard haben angekündigt, dass ihre Kunden Samsung Pay nutzen können sollen.

Google will anderen Anbietern eine Plattform bieten

Auch Google hat auf der Telekommunikationsmesse bekanntgegeben, Smartphone-Herstellern mit seinem Betriebssystem Android eine eigene Plattform für mobile Bezahldienste zur Verfügung stellen zu wollen. Der Konzern schlägt damit einen anderen Weg ein als der Konkurrent Samsung: Android Pay ist keine eigene App oder ein eigener Bezahldienst. Das System, das sich derzeit noch in der Entwicklung befindet, dient anderen Anbietern vielmehr als technologische Basis. „Jeder soll einen Bezahldienst auf dieser Plattform aufbauen können“, sagte Google-Manager Sundar Pichai in Barcelona.

Mit ihren neuen Angeboten positionieren sich Samsung und Google gegen den Rivalen Apple. Der Erfinder von iPhone, App Store und iTunes hat im vergangenen Jahr sein System für das mobile Bezahlen auf den Markt gebracht. Auch Apple kooperiert mit Visa und Mastercard sowie mit amerikanischen Geldinstituten wie der Bank of America, Wells Fargo, Chase, Citi und Barclays. Bisher gibt es Apple Pay nur in den Vereinigten Staaten. Ein baldiger Start in Europa gilt aber als sehr wahrscheinlich.

Auch wenn Apples Dienst in den USA derzeit mit Sicherheitslücken Schlagzeilen macht, gilt er als heißer Kandidat für die Marktführerschaft. Es sei dem Internetkonzern zuzutrauen, so glaubt man etwa beim Stuttgarter IT-Unternehmen GFT, dass er erneut eine Lösung aus der Nische in den Massenmarkt führe – und dann auch hier in Deutschland die Bankenlandschaft unter Druck setzen wird. „Deutsche Banken und Sparkassen waren sich in der Vergangenheit selten einig. Die Folgen sind viele Insellösungen statt einheitlicher Ansätze etwa bei zukunftsweisenden Bezahlsystemen“, sagt der GFT-Vorstandsvorsitzende Ulrich Dietz. Noch sei es für die Geldinstitute nicht zu spät, meint der GFT-Chef: „Sie müssen sich jetzt als starke Einheit aufstellen.“ Mit Einzellösungen habe man gegen die Marktmacht von Apple und Google keine Chance.

Es gibt zu wenig geeignete Kassen

Dass es viele Anbieter und unterschiedliche technische Möglichkeiten gibt, gilt auch als einer der Gründe, warum das bargeldlose Zahlen mit dem Handy in Deutschland bis jetzt noch nicht populär ist. Hierzulande nutzen nach Angaben des Beratungsunternehmens Bain & Company lediglich 13 Prozent mobile Bezahldienste mit dem Handy. Im Schnitt sind es in Industrieländern rund 20 Prozent. Auch Sicherheitsbedenken spielen hierzulande eine große Rolle. Die größte Hürde ist aber die fehlende Infrastruktur: Es mangelt an Kassen, die mit der entsprechenden Technik ausgestattet sind.

Laut dem IT-Branchenverband Bitkom liegt die Marktdurchdringung von Kassenterminals, über die kontaktloses Bezahlen per Handy abgewickelt werden kann, zurzeit bei etwa fünf Prozent. Da die Terminals aber in regelmäßigen Abständen ausgetauscht werden, wird der Anteil nach Bitkom-Schätzungen in zwei bis drei Jahren deutlich höher sein. „Es ist keine Frage, ob sich das kontaktlose Bezahlen auch in Deutschland durchsetzen wird, sondern nur wie schnell dies geschieht“, ist sich auch GFT-Geschäftsführer Dietz sicher.

In den USA haben mobile Bezahlmöglichkeiten bereits Fahrt aufgenommen. Bei der Kaffeekette Starbucks etwa haben sich die Handy-Bezahlvorgänge seit Anfang 2013 immerhin auf mehr als sechs Millionen pro Woche verdreifacht. Vor allem gehört das mobile Bezahlen in den Entwicklungsländern, wo Banken und Geldautomaten rar sind, zum Alltag der Menschen. So befinden sich acht der zehn Länder mit den aktivsten Nutzern von mobilen Finanzdienstleistungen in Afrika. Wegen des Mangels an Festnetzanschlüssen hat der Mobilfunk dort eine rasante Entwicklung erlebt. Im Jahr 2013 hatten fast zwei Drittel der Haushalte in Afrika südlich der Sahara laut einer Umfrage mindestens ein Mobiltelefon, in den Städten waren es sogar 80 Prozent.