Der Stuttgarter - Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hat am Dienstag bei der Vorstellung seines Mobilitätskonzeptes im Rathaus alle Verkehrsfragen zur Chefsache erklärt.

Stuttgart - Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hat am Dienstag bei der Vorstellung seines Mobilitätskonzeptes im Rathaus alle Verkehrsfragen zur Chefsache erklärt. „Mein Ziel sind weniger Schadstoffe, weniger Lärm, weniger Staus, weniger Stress und stattdessen mehr Lebensqualität in Stuttgart“, erklärte der Oberbürgermeister. Er wolle „den Nahverkehr verbessern, das Radwegenetz erweitern, den Fußgängerverkehr erleichtern und Anreize schaffen, den konventionell motorisierten Individualverkehr deutlich zu reduzieren“.

 

Beim Thema Schadstoffe gibt es für den OB keinen Anlass zur Entwarnung. „Wir alle müssen etwas tun, damit die Luft in der Stadt sauberer wird.“ Dazu gehöre auch die Reduzierung des Autoverkehrs um 20 Prozent. „Es geht aber dabei nicht um die Frage, ob man für oder gegen das Auto ist“, so Kuhn. Das gemeinsame Ziel müsse eine gut vernetzte Mobilität sein. „Das ist auch im Interesse unserer Automobilindustrie.“ Stuttgart solle zu einem „Innovationslabor für vernetzte Mobilitätskonzepte von morgen“ werden.

Lenkungskreis soll Ziele durchsetzen

Um die postulierten Ziele zu erreichen, hat der OB einen Lenkungskreis ins Leben gerufen. Unter seiner Leitung arbeiten nun erstmals vier städtische Ämter und die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) vernetzt zusammen, um ein „Mobilitätskonzept der Zukunft für die Landeshauptstadt“ in neun Handlungsfeldern zu erarbeiten. „Die eine Maßnahme, die alle Verkehrs- und Luftprobleme löst, gibt es nicht“, so Kuhn.

Dem neu gegründeten Lenkungskreis gehören neben Kuhn die Bürgermeister Matthias Hahn (Städtebau und Umwelt), Martin Schairer (Recht, Sicherheit und Ordnung), Dirk Thürnau (Technik) und Werner Wölfle (Verwaltung und Krankenhäuser) sowie der SSB-Technikvorstand Wolfgang Arnold an.

Im Herbst will der OB große Firmen zu einem Mobilitätskongress einladen. Deren Mitarbeiter sollen – dank finanzieller Anreize der Arbeitgeber – zum Umstieg auf den Nahverkehr bewegt werden. „Ich möchte die Arbeitgeber zur Mitwirkung einer nachhaltigen Mobilität einladen“, so Kuhn. Er sei gespannt, was wirtschaftlich erfolgreiche und sozial wie ökologisch eingestellte Unternehmen für die Luftqualität und Gesundheit in Stuttgart zu tun bereit seien. Die Stadt wolle dabei mit einem Zuschuss zu VVS-Tickets für ihre Beschäftigten mit gutem Beispiel vorangehen, erklärte der OB. Es gehe ihm aber auch um eine gute Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit den Kommunen und Kreisen sowie dem Verband Region Stuttgart.

Trotz zurückgegangener Schadstoffwerte würden im Stadtkessel weiterhin die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide überschritten, so Kuhn. „Das sind hochgiftige und krebserregende Stoffe.“

S-Bahnen müssen pünktlich fahren

Mit den neun Handlungsfeldern des Aktionsplans setzt sich Stuttgart laut dem OB ambitionierte Ziele für die Mobilität der Zukunft. Dabei stünden die „hohe Qualität des öffentlichen Raums und eine attraktive Stadt für die Bürger im Zentrum“, betonte Kuhn. Um den Autoverkehr um 20 Prozent zu verringern, seien auch Verhaltensänderungen und ein Bewusstseinswandel notwendig. „Ich möchte eine gesellschaftliche Debatte um Entschleunigung und Lebensqualität anstoßen, in der alle Verkehrsteilnehmer gleichrangig sind“, so Kuhn. So habe sich etwa Tempo 40 auf Steigungsstrecken im Kampf gegen die hohen Schadstoffwerte bewährt. Auch das im Stadtbezirk West bereits eingeführte Parkraummanagement werde auf die übrigen Innenstadtbezirke ausgedehnt. „Beide Maßnahmen werden weiterentwickelt, weil sie etwas bringen“, betonte Kuhn. Auch den Ausbau der Integrierten Verkehrsleitzentrale der Stadt bezeichnete der OB als notwendig, um den Verkehr umweltgerechter zu verflüssigen. Und beim Radverkehr sei man „noch weit weg von dem, was eine Großstadt erreichen kann“.

Bahn muss Probleme beseitigen

Unverzichtbar für den Mobilitätswandel ist für den OB „ein verlässlich funktionierendes S-Bahn-System in der Region. Ohne pünktliche Bahnen ist der Autoverkehr nicht zu reduzieren“, räumte Kuhn ein – just zu dem Zeitpunkt, als die Stammstrecke wegen einer defekten Weiche komplett in beiden Richtungen gesperrt werden musste. Er werde die Bahnspitze bei Gesprächen im S 21-Lenkungskreis deutlich darauf hinweisen, dass das Rückgrat des Nahverkehrs in der Region dringend gestärkt und stets pünktlich verkehren müsse. „Alle strukturellen Probleme sind von der Bahn rasch zu beseitigen.“

Zur Finanzierung der nachhaltigen Mobilität müsse natürlich viel Geld in die Hand genommen werden sagte Kuhn, ohne konkrete Summen zu nennen. Über die Finanzierung müsse im Herbst bei den Haushaltsplanberatungen entschieden werden. „Ein ‚Weiter so‘ kann es aber angesichts der Schadstoffbelastungen in der Innenstadt und den drohenden Sanktionen der EU nicht geben“, erklärte der OB. Für die Umsetzung des Aktionsplans werde er Schwerpunkte setzen und Vorschläge machen. Bei den Beratungen müsse aber auch der Gemeinderat Farbe bekennen.