Das Traditionsgeschäft in Ludwigsburg will eine breitere Kundschaft ansprechen und moderner werden. Deshalb ist ein großer Umbau geplant, der auch eine Kampfansage an die Konkurrenz ist.
Hemden, Blusen, Hosen und Co. an den Mann oder die Frau zu bringen, das war schon mal einfacher. Der Einzelhandel tut sich schwer, der stationäre besonders. Die Hauptgründe sind die Konkurrenz im Netz und geändertes Kaufverhalten der Menschen – auch wegen der Inflation. Deshalb ist die Nachricht durchaus überraschend: Oberpaur, das älteste und eines der größten Modehäuser in Ludwigsburg, will größer werden und seine Filiale in der Innenstadt deutlich erweitern.
Auf 6500 Quadratmeter – rund 1400 mehr als bisher – soll die Ladenfläche wachsen. Möglich wird der Ausbau, weil die Inhaberfamilie Boniberger einen weiteren Teil des Gebäudes an der Asperger- und Körnerstraße erworben hat. „Der Entschluss, dass wir wachsen wollen, ist schon vor einiger Zeit gefallen“, sagt Christian Boniberger. Die Investition sei ein Bekenntnis zum Standort in Ludwigsburg und auch zur Belegschaft.
Wenn der Bauantrag durch ist, soll es möglichst schnell losgehen mit dem Um- und Ausbau, der im Jahr 2025 fertig sein soll – wenn alles glatt läuft. „Beim Bauen im Bestand, weiß man ja nie so richtig, was einen erwartet“, so Boniberger. Wie viel in den Standort investiert wird, darüber geben die Chefs keine Auskunft.
Darüber, was die Kunden im neuen Oberpaur erwarten wird, schon: in der Asperger Straße kommt der Dachvorsprung weg, die Front wird komplett neu gemacht, bodentiefe Fenster sollen die riesigen Schaufenster ersetzen. Ein Teil des Gebäudes an der Körnerstraße wird abgerissen und neu gebaut. Die Fläche des Juweliers, der sich dort befindet, wird Oberpaur zugeschlagen. Die Wohnungen über dem Geschäft sollen größtenteils erhalten bleiben.
Boniberger spricht von einem „Investitionsrückstand“ beim Modehaus, derzeit habe man in Ludwigsburg das Problem, nicht alles im Laden zeigen zu können, was man eigentlich wolle. Und das Sortiment soll noch erweitert werden. Oberpaur will ein jüngeres Klientel ansprechen, die Herrenmode wird moderner, die Kinderabteilung soll mehr Platz bekommen, eine für Abendmode wird hinzukommen. Das Sortiment soll künftig alle Familienmitglieder abbilden, trotzdem soll das Haus übersichtlicher werden. Bei all den Veränderungen muss die bisherige Kundschaft weiterhin zufriedengestellt werden. Dass dieser Spagat gelingen kann, da sind die Verantwortlichen guter Dinge. Denn sie haben es nach eigenen Angaben an anderer Stelle bereits geschafft: das Stammhaus im bayrischen Landshut wurde 2019 modernisiert. „Das wird sehr gut angenommen“, sagt Christian Boniberger.
Im Zuge des Umbaus in Ludwigsburg soll das Gebäude auch energetisch ertüchtigt werden, um Kosten zu sparen. Strom soll künftig auch eine eigene PV-Anlage auf dem Dach liefern.
Maßgeblich verantwortlich für das Projekt ist der neue Geschäftsführer Patrick Brosius. Der 44-Jährige ist seit dem 1. Juni im Amt – und hat sich auch wegen des Umbaus für den Job in Ludwigsburg entschieden. Brosius hat schon für verschiedene Unternehmen in der Branche und in ganz Europa gearbeitet, zuletzt war er sieben Jahr lang in Prag tätig. Was die Erweiterung angeht blasen Brosius und die Inhaberfamilie ins gleiche Horn: man denkt groß. Brosius spricht von „einem Leuchtturm in der Region“, der Oberpaur werden will, Christian Boniberger vom „alleinigen Platzhirsch“. Wer an Mode denke, solle an Oberpaur denken, so sein Credo. Mit dem Umbau erhoffen sich die Verantwortlichen auch Kundschaft von weiter weg anzuziehen, aus Stuttgart und einem Radius von 30 bis 40 Kilometer um Ludwigsburg herum.
Dass sie mit einigen anderen um potenzielle Käufer buhlen, wissen Boniberger und Brosius sehr wohl: gleich nebenan gibt es die Wilhelmgalerie, Klamotten shoppen kann man auch im Marstall – und etwas außerhalb im Breuningerland. Außerdem gibt es noch einige Läden vor allem entlang der See- und Kirchstraße. Boniberger geht zwar von einer „gewissen Marktbereinigung“ durch die weiter zunehmende Konkurrenz im Netz aus, dass das eigene Unternehmen betroffen ist, glaubt er aber nicht. „Wir sind gesund, wirtschaften gut und sind überzeugt, dass wir uns durchsetzen“, sagt der Inhaber. Damit das so bleibt, setzen Boniberger und Brosius auf zwei Dinge: gute Beratung sei unersetzbar, sagt der Geschäftsführer, „das verlangen und brauchen die Kunden“. Der zweite Punkt: „Wir verkaufen Erlebnisse“, sagt Christian Boniberger, „das können freudige sein, wie der Abiball oder ein Abend in der Discothek; aber auch mal traurige wie eine Beerdigung. Für alle Anlässe findet man bei uns das passende.“
Einen eigenen Onlineshop hat Oberpaur im übrigen auch, auch den will das Modehaus ausbauen, das Hauptgeschäft bleiben aber die beiden Häuser in Ludwigsburg und Landshut. „Wir wissen, dass wir mit der Investition antizyklisch agieren“, sagt Christian Boniberger, „sind aber überzeugt, dass es sich lohnen wird.“
Geschichte
Gegründet wird das Modehaus im Jahr 1798 im bayrischen Landshut, in den Folgejahren expandiert das erfolgreiche Geschäft unter anderem nach Freiburg, Stuttgart, Pforzheim und Santiago de Chile. Die Filiale in Ludwigsburg geht 1919 aus dem bekannten „Kurz-, Weiß-, und Wollwarengeschäft Carl Mayer“ in der Asperger Straße hervor, die Kurt Oberpaur, Enkel des Firmengründers, übernimmt. 1973 wird die Verkaufsfläche in Ludwigsburg verdoppelt, 1987 und 1995 folgen weitere Um- und Ausbauten. Seit 1997 sind Bernadette Boniberger und ihr Ehemann Siegfried Boniberger Inhaber der Firma. Ihre Söhne Christian und Thomas gehören zur siebten Generation eines der ältesten Einzelhandelsunternehmen Deutschlands.
Öffnungszeiten
Oberpaur in der Asperger Straße 3 in Ludwigsburg hat montags bis freitags von 9.30 bis 19 Uhr geöffnet, an Samstagen eine Stunde kürzer. Mehr Infos: www.modehaus-oberpaur.de.
