Karl Kreisz aus Schwaikheim baut Modellschiffe im Maßstab 1:100. Sein Prunkstück ist die RMS Titanic, die in zehn Jahren Bauzeit entstanden ist.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Schwaikheim - Zu ihrer Zeit war sie nicht nur das größte, sondern auch eines der schönsten Passagierschiffe der Welt. Vergleiche mit der Île de France oder der Queen Mary brauchte die Titanic nicht zu scheuen, wenn es um Fragen nach dem Luxus an Bord oder der Ausstattung ging. Aber die Legende um das Schiff, das als unsinkbar gegolten hatte, begründete etwas anderes: es war die Tragödie am 14. April 1912, als sie auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York sank und mehr als 1500 Passagiere ertranken.

 

Einer, der die Details des berühmten Luxusliners wohl mit am besten kennt, dürfte Karl Kreisz aus Schwaikheim sein. Der 66-jährige Heizungsinstallateur im Ruhestand hat die Titanic im Maßstab 1:100 gebaut. Und im Gegensatz zu seinem Vorbild absolvierte sein Modell die Jungfernfahrt auf dem See von Lorch-Waldhausen bereits tadellos.

Im Maßstab 1:100 lässt es sich einfacher rechnen

„Der Maßstab 1:100 vereinfacht das Rechnen“, sagt Karl Kreisz. So misst sein Titanic-Modell stolze 2,70 Meter, da das Original 270 Meter lang war. Das Modell des Schlachtschiffes Bismarck, das daneben steht, ist „nur“ 2,50 Meter lang. Tatsächlich war das graue Ungetüm kürzer als die Titanic, allerdings war seine Taille um einiges breiter. „Die Titanic ist sehr schlank. Im Original brachten die schweren Heizkessel und Maschinen im Rumpf das nötige Gewicht, um sie aufrecht zu halten. Ich hatte dagegen Probleme, weil die Aufbauten schwerer waren als der Rumpf“, erzählt Karl Kreisz.

Beim ersten Schwimmversuch des Dampfers im eigens dafür angelegten Bassin im Garten zeigte das Schiff eine bedrohliche Schlagseite. Die Lösung des Problems erlebte der Rentner dann hautnah während einer Kreuzfahrt mit seiner Frau. „Da gab es Seegang, aber der Kapitän erklärte, das sei kein Problem, er lasse die Stabilisatoren ausfahren. Solche habe ich dann auch nachträglich eingebaut, obwohl die echte Titanic so etwas nicht hatte“, erläutert Karl Kreisz im Keller seines Hauses, in dem seine Werft untergebracht ist. „Da bin ich aber nicht jeden Tag“, betont er. Außerdem sei seine Frau ohne ihn durchaus in der Lage, sich zu beschäftigen. „Sie malt sehr gut“, sagt er und zeigt auf einige Werke seiner Gattin, die an den Wänden zu sehen sind.

900 Bullaugen von Hand gebohrt

Rund 900 Bullaugen hat Kreisz in den Rumpf gebohrt, fein säuberlich die winzigen Öffnungen abgeschmirgelt und mit Nieten versehen, die nun wie Messingbeschläge wirken. „Den Rumpf habe ich gekauft. Aber die Aufbauten habe ich nach Bauplänen aus Polystyrolplatten ausgesägt.“ Solche Baupläne gibt es bei Fachhändlern wie der Bastler-Zentrale in Stuttgart, von denen Kreisz die Motoren und Fernsteuerungen für seine Schiffe bezieht. „Außerdem kann man da bei Problemen nachfragen, die kennen sich bestens aus.“

Zehn Jahre habe er an der Titanic gebaut. „Aber nicht durchgehend. Dazwischen habe ich noch an anderen Modellen geschafft.“ Am 29. September vorigen Jahres fand die Jungfernfahrt in Waldhausen statt, gefilmt von dem Toningenieur Axel Thomae, einem guten Freund der Familie. „Er hat mir auch beim Ton geholfen. Das hört man“, sagt Kreisz. Spricht’s, drückt auf einen Knopf der Fernbedienung und schon erklingt wahlweise Musik der Schiffskapelle oder Céline Dions berühmtes Lied aus James Camerons „Titanic“-Film.

Eine Nachtfahrt als Traum

Auf dem Video kann man sehen, wie Kreisz sein 65 Kilogramm schweres „Schiffle“ in zerlegtem Zustand aus seinem Auto auf einen Handwagen hievt und es am See zusammensetzt. „Da kann ich natürlich nur fahren, wenn niemand badet.“ Dann legt das Schiff ab. Angetrieben von drei Schrauben schneidet es wie ein Messer durchs Wasser – wie sein Vorbild, das auf die Jagd nach dem Blauen Band gehen sollte, dem Geschwindigkeitsrekord der Passagierdampfer auf dem Atlantik. Wann Karl Kreisz seine Titanic wieder in See stechen lässt, steht noch nicht genau fest. Wenn es so weit ist, werden wir das jedoch bekanntgeben. „Ich träume ja immer noch von einer Nachtfahrt“, verrät er.