Wie sehen Sie die Zukunft der Fastnacht im Ländle? Profitiert der Brauch auch von der aktuellen Sehnsucht nach Rückbesinnung?
Ich denke, dass unsere Fernsehübertragungen den Leuten Lust machen, selbst aktiv zu werden, sich in einer Zunft zu organisieren. Und es gibt ein Bedürfnis der Menschen nach festen Bräuchen und Bezügen in einer Zeit der Globalisierung und Anonymisierung. Ich würde behaupten, dass die Hälfte der Baden-Württemberger in irgendeiner Form Fastnacht feiert. Die einen gehen in den Sportverein, die anderen in die Zunft. Die Narren sind ja das ganze Jahr aktiv und meist sozial unterwegs, die drehen sich nicht nur um sich selbst. Zum anderen gibt es auch viele junge Leute, die zurückkommen zur Spießigkeit.
Sie sind teilweise in Neuhausen auf den Fildern aufgewachsen. Bekommt man das Fastnachtsgen quasi implantiert?
Ja und nein. Meine Großmutter war Kölnerin und wehe man hat sie am Rosenmontag angerufen. Dann hat sie nur gesagt: De Zoch kümmt – wie kannst du dich jetzt melden. Meine Schwester lebt heute in Köln und ist der größte Narr in der Familie und bis zum Rosenmontag unterwegs. Ich selbst bin als Kind auch reingerutscht und habe noch heute meine Verkleidung, einen Harlekin mit gelb-schwarzen Karos und einem spitzen Hut. Heute lebe ich selber keine Fastnacht mehr und gehe auch privat nicht auf Veranstaltungen, aber es ist für mich eine Freude, darüber zu berichten. Ein echter Narr steckt da richtig Seele hinein, den bringt es in Verzückung, wenn er am Dreikönigstag den Kasten aufmacht und seine Maske abstaubt. Ich selbst hab’ das nie erlebt.
Sie stehen natürlich auch Programm für das Landesmotto: Wir können alles außer Hochdeutsch.
Warum soll ich bei meinen Reportagen über Fastnacht Schriftdeutsch sprechen? Welcher Kölner verzichtet auf seinen Dialekt, wenn es um Gefühle geht oder der Bayer bei seiner Wiesen. Dialekt hat nichts mit Intelligenz zu tun. Theodor Heuss hat mit Freude schwäbisch gesprochen. Müssen wir alle gleich sein? Dialekt ist für mich auch ein Türöffner zu den Menschen.
Verstehen Sie Leute, die eine Abneigung gegen Fastnacht haben?
Ja, aber ich habe keine Lust auf den dauernden Rechtfertigungsmodus, dem die Narren ausgesetzt sind. Wenn man es selbst nicht mag, dann kann man wenigstens den anderen die Freude daran lassen. Es gibt Leute, die sehen in der Fastnacht etwas Tumbes, das nur für Dumme ist und selbst stehen sie beim Apres-Ski auf den Tischen und singen „Atemlos“. Fastnacht ist ein Brauch, der in dieses Land gehört und viele leben diese fünfte Jahreszeit. Es hat doch auch etwas Hintergründiges, sich hinter einer Maske zu verstecken und der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten.