Die vielfach ausgezeichnete US-Fotografin Annie Leibovitz fotografiert für den schwedischen Möbelriesen Ikea und besucht dazu weltweit Menschen in ihrem Zuhause. Und diese drei Porträts entstanden in Deutschland.

Bauen/Wohnen/Architektur : Nicole Golombek (golo)

Der Ikea-Katalog ist abgeschafft, in dem Lebenswelten auf Doppelseiten mit Möbeln, Teppichen und Accessoires der Firma inszeniert wurden. Doch die mediale Vermittlung eines Lifestylefeelings bleibt wichtig, findet nurmehr auf der Homepage, in sozialen Medien statt. So verwunderlich ist es also nicht, dass der schwedische Möbelkonzern mit der vielfach ausgezeichneten US-Starfotografin Annie Leibovitz (74) zusammenarbeitet.

 

Sie begibt sich nicht auch noch unter die Möbeldesigner, sondern unter die Nachwuchsförderinnen. Während der Pariser Fashion Week werden die Arbeiten von Leibovitz und jungen Talenten noch bis zum 3. März in einer Ausstellung in der Rue de Lappe 28 in Paris gezeigt.

Annie Leibovitz’ Arbeiten sind in Paris zu sehen – sie schaut sich zugleich Fotografien von jungen Talenten an. Foto: Ikea

Leibovitz ist die erste „Artist in Residence“-Künstlerin bei Ikea. Mehrere Monate im Jahr 2023 reiste die Fotografin in verschiedene Länder, Italien, Indien, die USA, Deutschland, Schweden, das Vereinigte Königreich und Japan, um Menschen in ihrem Zuhause zu porträtieren. Ihre Arbeiten sind dann auf der Homepage Homepage von Ikea zu sehen.

Die Arbeiten sind in Paris ausgestellt, aber auch Werke von sechs Nachwuchskünstlerinnen und Künstlern, Elena Kalinichenko, Ka’Vozia Glynn, Praise Hassan, Toma Hurduc, Trâm Nguyen Quang and Zélie Hallosserie, deren Mentorin Annie Leibovitz für das Projekt war. Außerdem stellen sechs junge Möbeldesignerinnen und Designer des Programms „Casa 93“ ihre Arbeiten in dem Gebäude aus, die mit Möbeldesign-Mentoren von Ikea gearbeitet haben.

Was ist Heimat?

Die fotografischen Arbeiten kreisen um die Frage, die Ikea Menschen in aller Welt gestellt hat: wie leben die Menschen, wie fühlen sie sich wohl, was ist für sie Zuhause? Die Umfrage ergab, dass 48 Prozent der Befragten nicht den Eindruck haben, dass ihr Leben daheim ausreichend medial repräsentiert sei. Und hier kommt Annie Leibovitz dazu.

Auch drei Menschen in sehr unterschiedlichen Lebenssituationen aus Deutschland, die Leibovitz fotografiert hat, sind zu entdecken. Eine junge Frau, die zeitweise auf der Straße lebte und nun in einem kleinen Apartment in Berlin-Neukölln daheim ist und als Aktivistin, passionierte Skateboardfahrerin, Model und Videofotografin arbeitet. Sie sagt: „Ich bin dankbar, dass ich einen Platz zum Bleiben gefunden habe“, wirklich daheim fühle sie sich aber vor allem auf ihrem Skateboard.

Eine Frau, die mit ihrem Partner in die Heimat zurückgezogen ist – in ein 311-Einwohner-Dorf namens Gilsa in Nordhessen – und nun auf einem Bauernhof lebt, Events und Tage der offenen Tür veranstaltet. Zuhause sei für sie von ihrer Patchworkfamilie bestimmt, „Gregors Sohn Oskar lebt mit uns, und seine Mutter besucht uns häufig. Die Küche ist unser Platz, wo wir zusammenkommen, essen, spielen, reden.“

Leben auf dem Dorf und in der Metropole

In Hamburg wiederum hat Leibovitz eine Designerin aus Tel Aviv in ihrer Hamburger Wohnung besucht. Sie sagt, ihr Zuhause sei ihr besonders wichtig. Gerade wenn man in einem fremden Land lebe, wolle man so viel von seiner Heimat in seiner Wohnung zeigen wie möglich, sagt sie: „Ich fragte mich, wie kann ich das hierher bringen, wenn ich ohne meine Familie, das übliche Essen, die Kultur lebe? Ich entschied mich, meine eigene Oase zu kreieren. Deshalb ist meine Wohnung voller zum Teil eigenartiger Dinge. Die Möbel wurden zu meiner Familie, jedes Stück hat einen Namen.“

Das wiederum kennt man auch von den Möbeln des schwedischen Herstellers, so ein „Ivar“, „Pöang“ oder „Billy“ begleitet manche Menschen ja viele Jahre, Jahrzehnte durch ihr Leben, von der ersten WG-Bude bis zur schicken Gründerzeitwohnung oder dem eigenen Haus.