Mohamed al-Baradei fordert Reformen und ist zur Führerfigur im Kampf der Straße gegen das Regime geworden. Er will Mubaraks Rücktritt

Kairo - Der amtierende ägyptische Präsident Hosni Mubarak hat seine Meinung zu Mohamed al-Baradei bereits kundgetan. "Wir brauchen keinen nationalen Helden, weder im Inland noch im Ausland", kommentierte der Staatschef die Ankunft jenes Mannes in Kairo, der sich in diesen Tagen zum größten Gegenspieler des Despoten am Nil entwickelt hat. Al-Baradei konterte kühl und forderte Mubarak angesichts der Proteste des Volkes nach fast 30 Jahren zum Rücktritt auf - und brachte sich selbst als Nachfolger ins Gespräch.

Weite Teile der zersplitterten Opposition haben die Ankunft des früheren Generaldirektors der Internationalen Energiebehörde IAEA aus Wien euphorisch begrüßt. Sie verknüpften mit dem 68-Jährigen die Hoffnung auf einen Neuanfang, da er eine ausgewiesene Führungspersönlichkeit ist, aber nicht mit dem alten Regime in Verbindung gebracht wird. Kritiker werfen ihm allerdings vor, dass er die meiste Zeit seines Lebens nicht in Ägypten gelebt und deshalb von den Verhältnissen wenig Ahnung habe.

Steiler Aufstieg bis in den Chefsessel


Schon früh wurde deutlich, dass dem selbstbewussten Mohamed al-Baradei nach seinem Jurastudium in seiner Heimatstadt Kairo und New York eine große Karriere bevorstehen würde. Mit 22 Jahren wurde er in den diplomatischen Dienst aufgenommen, wo er zuerst bei den Vereinten Nationen in Genf und danach in New York arbeitete und sich vor allem den Fragen der Waffenkontrolle widmete. 1978 war er in Camp David an den Verhandlungen zum Frieden im Nahen Osten beteiligt. Mitte der 80er Jahre wechselte der Karrierediplomat dann zur Internationalen Energiebehörde, wo ihm ein steiler Aufstieg bis in den Chefsessel bevorstand.

Al-Baradei machte sich einen Namen, indem er in den zentralen politischen Fragen der Friedenssicherung und Abrüstung eindeutig Stellung bezog. Den USA sprach er so die Legitimation für den Irakkrieg ab - die zur Begründung angegebenen Massenvernichtungswaffen von Präsident Saddam Hussein wurden von den UN-Inspekteuren nie gefunden. In seine Zeit fiel auch die Entdeckung eines geheimen Atomprogramms im Iran. Vor allem die USA warfen dem Ägypter vor, die Behörde zu sehr politisiert zu haben. Auf der anderen Seite erwarb er sich hohes Ansehen. 2005 bekamen die IAEA und al-Baradei für ihren Einsatz den Friedensnobelpreis.

Kampagne zur Reform des Landes


Nachdem er sich vor gut einem Jahr aus Altersgründen vom Posten des IAEA-Chefs zurückgezogen hatte, meldete er sich in Kairo zu Wort. Die Perspektivlosigkeit seiner jungen Landsleute habe ihn zu diesem Schritt veranlasst, erklärte er und kritisierte damit auch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zustände in Ägypten. Er versuchte, eine Kampagne zur Reform des Landes ins Leben zu rufen und dann selbst bei den anstehenden Präsidentenwahlen im Herbst anzutreten. Zuvor hatte er allerdings eine Änderung der Verfassung und die Zusicherung auf freie Wahlen verlangt. Obwohl ihm auf seiner Facebook-Seite Zehntausende, vor allem junger Ägypter ihre Unterstützung zugesagt hatten, war er mit seinen Forderungen kläglich gescheitert und nach einigen spektakulären Auftritten wieder in der politischen Versenkung verschwunden.

Inzwischen spricht vieles dafür, dass Mohamed al-Baradei durch die Straßenproteste überall im Land eine zweite, weitaus aussichtsreichere Chance bekommen könnte. Er hatte gehofft, dass ihn sein internationales Ansehen vor Übergriffen und Repressionen schützen könnte. Dennoch ist er während einer Demonstration von der Polizei festgesetzt worden. Zu groß ist die Angst des ägyptischen Regimes vor Mohamed al-Baradei, der sich in seinem Leben noch nie sonderlich um die Meinung der vermeintlich Mächtigen gekümmert hat.