Nel hatte Pistorius’ psychiatrische Untersuchung nach der Aussage einer Zeugin der Verteidigung Mitte Mai beantragt. Die Gerichtspsychiaterin Merryll Vorster hatte dem Angeklagten ein „Angstsyndrom“ attestiert, das sowohl durch seine doppelte Beinamputation als Kleinkind sowie durch den abwesenden Vater, eine ängstliche Mutter und die hohe Kriminalitätsrate in Südafrika hervorgerufen worden sei. Die Richterin Thokozile Masipa hatte dem Antrag stattgegeben und die Seelenforscher beauftragt herauszufinden, ob Pistorius zur Tatzeit in der Lage war, „die Falschheit seines Handelns“ wahrzunehmen. Und so begann Ende Mai in der Psychiatrie Weskoppies in Pretoria die Untersuchung. Pistorius wurde nicht wie sonst üblich eingeliefert, sondern musste nur werktäglich acht Stunden anwesend sein. Die drei Psychiater und eine Psychologin kamen dem Vernehmen nach zu dem einhelligen Urteil, dass der Angeklagte voll zurechnungsfähig war. Von einem „Angstsyndrom“ ist nun keine Rede mehr.

 

Das Urteil wird nicht vor August erwartet

Während die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass Pistorius seine 29-jährige Freundin nach einem Streit mit vier Schüssen aus seiner Pistole in der Toilette seines Hauses mit voller Absicht tötete, handelte es sich nach der Darstellung des Angeklagten um einen tragischen Irrtum. Er habe die Schüsse in dem Glauben abgegeben, dass sich hinter der Tür Einbrecher befänden, argumentiert die Verteidigung.

Der Prozess wurde am Montag mit den Aussagen eines Schallexperten und des orthopädischen Chirurgen fortgesetzt, der Pistorius im Alter von elf Monaten amputiert hatte. Der Schallexperte versuchte zu widerlegen, dass Zeugen aus mehr als hundert Meter Entfernung hören konnten, dass es sich bei den wahrgenommenen Schreien um die seiner Freundin und nicht die Rufe von Pistorius handelte, während der Arzt die eingeschränkte Beweglichkeit seines Patienten attestierte. Die Verteidigung will mit ihrer Zeugenbefragung noch in dieser Woche fertig sein. Danach wird das Plädoyer des Anklägers und der Verteidigung erwartet. Mit einer Urteilsverkündung wird nicht vor August gerechnet.