Selten wird im Ditzinger Gemeinderat in öffentlicher Sitzung so engagiert diskutiert, wie am Montagabend über einen Antrag der CDU-Fraktion. Die Christdemokraten hatten ein Aussetzen der Gespräche mit dem Ditzinger Moscheeverband Ditib gefordert, solange sich Ditib Deutschland nicht von den Äußerungen des Chefs der türkischen Religionsbehörde Diyanet distanziere. Außerdem forderten sie ein Bekenntnis für die demokratische Grundordnung im Grundstücksvertrag. Bei der namentlichen Abstimmung wurde der Antrag abgelehnt. Dem Gemeinderat wurde empfohlen, die Verwaltung zu beauftragen, ein Gespräch mit Ditib Ditzingen über den Nahostkonflikt zu terminieren.
Diyanet-Chef Ali Erbas hatte sich zuletzt nach den terroristischen Angriffen der Hamas auf Israel antisemitisch geäußert. Zu eigen gemacht habe sich Ditib Deutschland diese Äußerungen nicht. Aber distanziert habe sie sich ebenso wenig wie Ditib Ditzingen, lautete der Vorwurf der Ditzinger CDU.
Ditib Ditzingen will im Gewerbegebiet eine Moschee errichten und dafür ein städtisches Grundstück erwerben. Im Gegenzug verkauft sie ihr aktuelles Gelände an die Stadt, die nur dann die Siemensstraße verbreitern kann. Vertragspartner der Ditzinger wird Ditib Deutschland sein. Aber auch Ditib Deutschland ist der türkischen Religionsbehörde Diyanet unterstellt.
„Es geht nicht darum, die Moschee zu verhindern“, erklärt Sven Sautter auf Nachfrage. Aber „alle staatlichen Ebenen haben Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus“, sagt der CDU-Fraktionschef und fügt an: „Wir finden es hochproblematisch, es nicht mal zu probieren, mit Ditib Deutschland ins Gespräch zu kommen.“ Antisemismus unter dem Deckmantel der Israel-Kritik zu verbreiten, könne und dürfe nicht geduldet werden.
Den Vorwurf, sich nicht ausreichend distanziert zu haben, lässt der Vorsitzende der türkisch-islamischen Gemeinde in Ditzingen nicht gelten. Hasan Öztürk verweist auf die schriftliche Stellungnahme seiner Gemeinde. Darin heißt es unter anderem: „Antisemitismus ist für uns ein absolutes Tabu.“ Ditib Ditzingen lehne „jegliche Form von Extremismus, Gewalt sowie Aufrufe zur Gewalt ab.“ Nicht nachvollziehen kann Öztürk den Vorwurf der CDU, sich in der Stellungnahme nicht ausdrücklich von Erbas’ Äußerungen distanziert zu haben. „Erbas macht Politik. Wir machen keine Politik. Wir sind überparteilich.“ Erbas steht dem türkischen Präsidenten Erdogan zur Seite.
Sautter betonte, „keinerlei Hinweise auf antisemitische Äußerungen von Ditzinger Ditib-Mitgliedern“ zu haben. Vielmehr stand und stehe man in der zwei Jahre währenden Moschee-Diskussion in regelmäßigem Kontakt. Deshalb reiche es aber nicht aus, sich, wie von Oberbürgermeister Michael Makurath (parteilos) vorgeschlagen, mit dem Vorstand zusammenzusetzen.
Wenngleich die Vertreter der anderen Fraktionen Antisemitismus ebenfalls aufs Schärfste verurteilten, so kritisierten sie die CDU für ihr Vorgehen. Ungeachtet dessen, dass Erbas’ Äußerungen untragbar seien, warf Doris Renninger (Grüne) der CDU Populismus vor. Dieser „trägt nicht bei zu einem förderlichen Miteinander“. Zumal mit dem Ende der Entsendung der Imame aus der Türkei – sie werden künftig in Deutschland ausgebildet – „etwas in Bewegung gekommen“ sei.
Dies sei kein Thema für Ditib Ditzingen, sondern für Ditib Deutschland. An Makurath gewandt forderte sie, darüber im Städtetag zu diskutieren. Makurath ist Vizepräsident des Städtetags, versprach sich davon aber nur mäßigen Erfolg. Vielmehr seien Vertreter von Bund und Land gefragt, die bereits aktiv seien. Sie seien die richtigen Ansprechpartner, hatte auch Manfred Grossmann (Freie Wähler) erklärt. Diyanet sei ein Regierungsorgan der Türkei „Wir müssen heute an die Zeit nach Erdogan denken“, so Makurath. Er hatte es eingangs so formuliert: „Ich glaube, dass man mit Kommunikation weiter kommt, als mit Konfrontation.“
Eine lange Entstehungsgeschichte
Der Anlass
Seit Jahren suchte der Moscheeverein gemeinsam mit der Stadt nach einem Ersatz der bisherigen Räume in der Gerlinger Straße. Diese hätten „Hinterhofcharakter“, so die Verwaltung. In der Debatte schwang daher stets mit, dass repräsentativere Räume dem Image der Gemeinde zuträglich seien. Zugleich befindet sich die Moschee in einem Gebäude, das abgerissen werden soll. Die Fläche wird für die Verbreiterung der Hauptverkehrsstraße benötigt.
Die Debatte
Monatelang hatte der Gemeinderat 2022 über die Pläne der türkisch-islamischen Gemeinde diskutiert, auf einem kleinen Grundstück nahe des Bahnhofs eine Moschee zu bauen.