Frau Renkema, wie groß ist Ihre Sorge, dass die Saison schon an diesem Mittwochabend vorbei sein könnte?
Mit so einer Einstellung dürfen und werden wir niemals in ein Spiel gehen.
Sondern?
Wir wissen, dass wir mit dem Rücken zur Wand stehen und zwei Siege in Folge benötigen, um erneut die Meisterschaft zu holen. Wir wissen aber auch, dass wir uns schon aus schwierigeren Situationen befreit haben.
Wann?
Zum Beispiel 2019, als wir beim 0:3 im vierten Spiel in Schwerin chancenlos waren und danach durch ein 3:2 endlich zum ersten Mal die Schale gewonnen haben. Oder 2022, als der SC Potsdam im vierten Spiel zwei Championship-Bälle hatte und wir am Ende doch noch Meister geworden sind.
Das Problem in der aktuellen Serie ist, dass Ihr Team immer wieder hohe Führungen verspielt. Zuletzt in Schwerin wurden die ersten beiden Sätze 25:20 und 25:12 gewonnen, am Ende aber setzte es erneut eine 2:3-Niederlage.
Dafür gibt es zwei Gründe.
Welche?
Erst einmal liegt es an uns selbst. Wir spielen nur teilweise gut, verlieren zu leicht den Fokus. Dann greifen wir auf unseren Notfallplan zurück und spielen hohe Bälle auf Krystal Rivers. Darauf hat sich der SSC Schwerin eingestellt.
Warum reicht es nicht mehr für eine komplette Partie auf hohem Niveau?
Es scheint, als würde es uns dafür an Energie fehlen, teilweise sieht man den Spielerinnen die Müdigkeit an. Wir waren in allen Wettbewerben bis zum Ende dabei, haben diese Saison etliche Spiele mehr absolviert als der SSC Schwerin. Das darf im Duell der beiden mit Abstand besten deutschen Teams keine Entschuldigung sein, ist aber zu spüren.
Und der zweite Grund?
Ist der SSC Schwerin.
Inwiefern?
Diese Mannschaft gibt niemals auf, ist mental unfassbar stark, kommt immer wieder zurück. Die Schwerinerinnen absolvieren eine super Finalserie.
Und sie haben Sina Fuchs.
Richtig. Wir lagen in allen drei Partien vorne, ehe sie von der Bank kam und die Annahme stabilisiert hat. Dadurch konnte der SSC sein schnelles Spiel aufziehen, gegen das unser Block nicht schnell genug Lösungen fand. Ein großes Kompliment an Sina Fuchs – sie ist ein sehr guter Joker und hat uns mit ihrem Auftreten fast ein bisschen erschreckt.
Dabei standen sich die Teams doch so oft gegenüber, dass es eigentlich keine Geheimnisse mehr geben dürfte.
Das stimmt, und trotzdem bleibt Volleyball ein Stück weit unberechenbar. Das schnelle Spiel des SSC Schwerin liegt uns nicht. Uns darauf einzustellen ist schwierig, denn wir können dieses im Training nicht nachstellen, weil wir anders spielen und zudem keine Linkshänderin haben. Im Ergebnis führt das dazu, dass die Effizienz unseres Blocks erheblich schlechter ist als noch im Halbfinale gegen den Dresdner SC.
Warum kommen bei Ihrem Team weniger Impulse von der Bank als beim SSC Schwerin?
Wenn ich an den Tie-Break im zweiten Spiel denke, den wir dank Alexis Hart und Jovana Mirosavljevic gewonnen haben, bin ich nicht sicher, ob das stimmt. Fakt ist, dass wir auch in der zweiten Reihe eine sehr große Qualität haben. Allerdings wäre es unfair, nun in einer Finalserie Dinge einzufordern, welche die eine oder andere Spielerin die ganze Saison über nicht zeigen konnte – zumal es ganz normal ist, dass ein Trainer in den Play-offs vor allem auf seine Startformation setzt.
Nach der zweiten Niederlage in Schwerin wurde Ihr Coach Konstantin Bitter in den sozialen Medien hart kritisiert . . .
. . . was für mich komplett unverständlich ist. Die Leute, die das tun, sollten ihre Erwartungshaltung überdenken. Wir sind nicht der FC Bayern, der jedes Jahr drei Titel holen muss. Das entspricht nicht der Realität.
Wie beurteilen Sie die Arbeit von Konstantin Bitter?
Sie ist hervorragend. Er ist erst 34 Jahre alt, erstmals Chefcoach bei einem Topverein, trainiert eine Mannschaft, die nicht von ihm zusammengestellt worden ist, hat mit ihr den Supercup und den Pokal gewonnen – mehr geht nicht. Und trotzdem wird von manchen so getan, als seien wir gerade so dem Abstieg entronnen. Das ist absurd.
Und stört Sie trotzdem sehr.
Ich kann derartige Kritik einfach nicht nachvollziehen. Der SSC Schwerin hat ein Budget, das rund 500 000 Euro höher liegt, war seit sechs Jahren aber nicht mehr Meister. Was wir zuletzt erreicht haben, darauf sind wir stolz – und unsere Fans können es auch sein. Zumal die aktuelle Finalserie um die Meisterschaft ja noch lange nicht vorbei ist.
Was muss passieren, um das 1:2 gegen den SSC Schwerin noch zu drehen?
Die Mannschaft muss jetzt alles raushauen, nicht nur spielerisch, sondern auch von der Mentalität her. Wie der SSC Schwerin haben ja auch wir uns den Ruf erarbeitet, ein Team zu sein, das nie aufgibt. Das will ich jetzt sehen! Dazu haben wir ab sofort einen Vorteil.
Welchen?
Bisher lag der Druck, favorisiert zu sein, bei uns. Doch ab sofort haben auch die Schwerinerinnen etwas zu verlieren. Ihnen fehlt nur noch ein Sieg – aber diesen müssen sie erst mal holen.
Sollte Ihr Team in der Scharrena gewinnen, würde es am Sonntag in Schwerin zum finalen Duell kommen . . .
. . . womit die zwei stärksten Vereine Volleyball-Deutschland eine unfassbar geile Serie bescheren würden – egal, wie diese ausgeht.
Wie optimistisch sind Sie, dass Ihr Team doch noch das Triple holt?
Ich vermute mal, dass sich das Harakiri-Auf-und-Ab, das wir bisher erlebt haben, fortsetzen wird. An unserem Ziel hat sich nichts geändert. Wenn es uns gelingt, alles zu geben, und es dennoch nicht reicht, dann ist der SSC Schwerin verdient Meister geworden.
Wie bitter wäre das?
Es ist immer bitter, ein Finale zu verlieren. Trotzdem bliebe es für uns nach dem Gewinn des Pokals und des Supercups eine erfolgreiche Saison. Jeder Fan, der das anders sieht, weiß nicht, mit welchen Mitteln wir in Stuttgart arbeiten. Diesen Leuten würde ich raten, Anhänger eines anderen Vereins zu werden.