Seit mehr als einem Jahr wird über das Göppinger Müllheizkraftwerk kontrovers diskutiert, weil der Betreiber EEW künftig mehr Abfall verbrennen möchte. Eine Entscheidung soll nun im Oktober der Kreistag fällen.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Kreis Göppingen - Wäre alles ohne Nebengeräusche über die Bühne gegangen, hätte der Göppinger Kreistag schon vor 13 Monaten darüber abgestimmt, ob im Müllheizkraftwerk (MHKW) die Kapazitäten erhöht werden. Das Ansinnen des Betreibers Energy from Waste (EEW) und das Gebaren der Kreisverwaltung, die zunächst kein großes Aufhebens um die geplanten Änderungen machen wollte, hatte Empörung ausgelöst. Weil dann bei Untersuchungen auch noch erhöhte Dioxinwerte gemessen worden waren, wurde das Thema erst einmal auf Eis gelegt. Zwischenzeitlich hat es einen mehrteiligen Bürgerinformationsprozess gegeben. Nun soll der Kreistag im Oktober eine Entscheidung treffen.

 

Was ist der Stand der Dinge?An den Plänen der EEW, den Durchsatz der zu verbrennenden Abfallmenge von knapp 158 000 auf 180 000 Tonnen zu erhöhen, hat sich nichts geändert. Zudem will, was ebenfalls ein Streitpunkt war, der Kreis daran festhalten, das vorzeitige Kündigungsrecht des laufenden Vertrags von 2025 auf das Jahr 2030 zu verschieben, um davon in finanzieller Hinsicht noch einige Zeit profitieren zu können.

Wie ist der Bürgerinformationsprozess verlaufen? Aus Sicht vieler Beteiligter nicht zufriedenstellend. Dies zumindest geht aus diversen Gesprächen sowie aus den Leserbriefspalten der Göppinger Lokalzeitung hervor. Es hat zwar mehrere Treffen gegeben, bei denen informiert und auch über die unterschiedlichsten inhaltlichen Aspekte diskutiert wurde. Viele Bürgerinnen und Bürger beklagen allerdings, dass seitens des Landkreises und der EEW keine Bereitschaft zu Kompromissen erkennbar gewesen sei.

Welche Resultate hat der Bürgerinformationsprozess gebracht? Keine wesentlichen. Die beteiligten Bürger haben auch keine Anpassungsempfehlungen an den Kreistag ausgesprochen, sondern drei grundsätzliche Forderungen gestellt: Keine Erhöhung der Verbrennungskapazitäten. Kein Verzicht auf die Möglichkeit, der EEW zu kündigen. Ernsthafte Prüfung einer Rekommunalisierung des MHKW. Der Landrat Edgar Wolff hatte zwar auf eine Annäherung gehofft, weiß jetzt aber: „Einvernehmlich und leicht wird es nicht.“

Was tun die Gegner der Kapazitätsausweitung? Eine Bürgeraktion hat im Juli eine Unterschriftenkampagne gestartet. Bis Mitte September sollen sich mindestens 5000 Kreisbürger gegen die Pläne positionieren. Die Bürgerinitiative Müllkonzept Göppingen (BI) geht derweil gegen einen rechtlich umstrittenen Punkt vor. So haben die EEW, der Kreis und das Stuttgarter Regierungspräsidium die Tatsache, dass die Durchsatzmenge bereits im Jahr 2016 um 6000 Tonnen überschritten worden war, mit Rotte- und Feuchtigkeitsverlusten zwischen der Eingangswaage und der tatsächlich verbrannten Müllmenge erklärt. Das Umweltbundesamt kritisierte dieses Vorgehen, und inzwischen gibt es auch eine Zusage seitens des Kreises, dass diese Unterscheidung bei einer Ausweitung auf 180 000 Tonnen entfalle. Das genügt der BI jedoch nicht. Vielmehr fordert sie die aus ihrer Sicht unrechtmäßig vom Betreiber EEW einkassierten Gebühren zurück. Eine gerichtliche Überprüfung schließt die BI zumindest nicht aus.

Die Freien Wähler Göppingen haben vorgeschlagen, der Kreis solle das MHKW zurückkaufen und den Betrieb an die Energieversorgung Filstal (EVF) übertragen. Prinzipiell ist diese Variante denkbar, hat aber eben noch viele Unbekannte. Wäre die EEW überhaupt gewillt zu verkaufen und wenn ja, zu welchem Preis? Zudem müsste mit der EVF gesprochen werden, was bis jetzt noch nicht geschehen ist. Deren Geschäftsführer Martin Bernhart ist aber zumindest nicht abgeneigt: „Für Projekte der Rekommunalisierung steht die EVF grundsätzlich Gewehr bei Fuß und ist umgehend handlungsfähig“, erklärt er. Die weitere Vorgehensweise im Falle des Müllheizkraftwerks in Göppingen müsse aber erst noch im Aufsichtsrat der EVF beraten werden. Schon bei einer überschlägigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung komme man aber nicht umhin, sich mit der Sache näher zu beschäftigen, fügt er hinzu.

Was für Ergebnisse haben denn die weitergehenden Dioxinuntersuchungen erbracht? Ein wesentlicher Grund, warum das MHKW-Verfahren im vergangenen Jahr auf Eis gelegt worden ist, waren die bei Messungen festgestellten leicht erhöhten Dioxinwerte an einigen Punkten im Umfeld des Müllofens, die großteils bereits im Jahr 1990 beprobt worden waren. Bei einer weiteren Untersuchungskampagne wurde festgestellt, dass die Belastung, wie das Landratsamt betont, „ inzwischen noch geringer ausfällt“. Im Anschluss daran wurden auch an anderen Stellen systematisch Proben genommen. Die Ergebnisse befinden sich zurzeit in der abschließenden Bewertung und werden, sobald sie vorliegen, veröffentlicht. In jedem Fall soll dies nach dem Willen der Verwaltung vor dem 25. September geschehen. An diesem Tag berät der Umwelt- und Verkehrsausschuss des Kreistags das Thema Müllheizkraftwerk nochmals vor.

Weshalb beharrt der Landkreis eigentlich auf seiner Position?Aus der Sicht der Verantwortlichen sind die angestrebten Vertragsveränderungen nach wie vor sinnvoll. Jochen Heinz, der Stellvertreter des Landrats, erklärt zwar, „dass wir in den Punkten, die die Bürger umtreiben und was uns an Erkenntnissen erreicht hat, noch in Verhandlungen mit der EEW sind“. Er stellt aber auch klar, dass die Vertragsänderung an sich und die Durchsatzerhöhung nicht modifizierbar seien. Sollte der Kreistag beschließen, dass nochmals neu verhandelt werden muss, „dann fangen wir noch mal ganz von vorne an“, sagt Heinz. Dennoch werde in den Sitzungen der Gremien natürlich zu allen Vorschlägen, wie etwa den der Freien Wähler Göppingen, Stellung genommen.