Lange Jahre führte ein Holzsteg über die Murr in Richtung der Backnanger Altstadt. Den Abriss des Murrstegs sehen viele Backnanger mit Bedauern. Doch er hat seine Gründe.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Ein großer, roter Kran ragt über die Murr. Stück um Stück tragen Bauarbeiter Teile des überdachten, hölzernen Murrstegs ab. Dieser Videoclip macht derzeit auf Facebook die Runde. Der Abriss der Brücke, welche die Bleichwiese mit der Altstadt verbindet, löst bei vielen Backnangern nostalgische Gefühle aus. Das wird offenbar, wenn man sich die Kommentare im sozialen Netzwerk Facebook durchliest: „Schade um diese wirklich schöne Brücke“, schreibt jemand. „Das tut mir in der Seele weh“, so eine weitere Nutzerin. Eine Backnangerin fühlt sich daran erinnert, dass sie schon als Kind über den Steg gelaufen sei. „So schön, und hat so zum Städtchen gepasst“, schreibt sie. Ein anderer Backnanger hat die letzten Tage des Murrstegs noch genutzt, um ein paar Erinnerungsbilder zu schießen – und eine weitere Facebooknutzerin bedauert, dass der Murrsteg nicht instandgehalten worden sei.

 

Die Brücke war im Jahr 1984 gebaut worden, seitdem hatte Feuchtigkeit der Konstruktion aus Tropenholz stark zugesetzt. Auch ein schon nach vier Jahren angebautes Dach konnte den Zersetzungsprozess nicht wirklich aufhalten. Im Jahr 2017 brachte man Stahlbandagen an, um die Stabilität wieder zu erhöhen – doch 2020 empfahl ein Statiker, die Brücke zu sperren, da die Standfestigkeit nicht mehr garantiert werden konnte. Seitdem verhinderten Pressspanplatten eine Nutzung der Brücke.

Der Abriss des Stegs zog sich in die Länge – unter anderem, weil an der Unterseite des Stegs eine Gasleitung entlangführte und längere Zeit unklar war, wie man sie ersetzen sollte. Da das Gas nun über andere Leitungen zu ihrem Bestimmungsort geleitet wird, war die Bahn für den Abriss frei. Am Montagmorgen wurde der wohl sichtbarste Schritt des Abbaus erledigt: Per Kran – es handelt sich dabei um ein schweres Gerät mit einem Gewicht von 300 Tonnen – wurde der Steg angehoben und zur Demontage ans Ufer versetzt. „Bis spätestens Ende nächster Woche ist die Brücke dann vollständig beseitigt“, erklärt Melanie Schuler, die persönliche Referentin des Backnanger Oberbürgermeisters Maximilian Friedrich.

Was kommt nach dem Murrsteg – das ist nun die große Frage. Einige Backnanger glauben nicht daran, dass ein eventueller Nachfolger den Charme des bisherigen Stegs haben wird. „Da kommt vermutlich irgendein überteuerter, neumodischer Quatsch hin“, schreibt jemand. Ein weiterer Backnanger findet: „Man sollte den alten Steg einfach wieder genau so aufbauen. Er passt einfach zum historischen Backnang, auch wenn davon leider nicht mehr viel übrig ist.“ Er befürchtet, dass nun eine „hässliche, kalte Stahlkonstruktion“ gebaut wird – in einer EU-weiten Ausschreibung zunächst am günstigsten, die danach aber „wegen diverser Mängel Folgekosten mit sich zieht“.

So könnte ein Nachfolger-Steg über die Murr aussehen

Die einzige Möglichkeit, in die historische Innenstadt zu gelangen, war der Holzsteg allerdings keineswegs. „In den vergangenen Jahren haben sich mit der Sulzbacher Brücke/Bleichwiese und dem nach dem Hochwasser 2011 in Stahlbauweise errichteten Ernst-Rieker- Steg zwei attraktive Querungsmöglichkeiten und damit fußläufige Alternativen etabliert“, erklärt Melanie Schuler. Dass ein neuer Steg, sollte es tatsächlich einen geben, genauso aussehen wird wie der alte, ist allerdings unwahrscheinlich – allein schon, weil die Vorschriften zur Barrierefreiheit und dem Hochwasserschutz sich seit den 1980er Jahren geändert haben. Möglicherweise wird ein neuer Steg die Fußgänger stattdessen nicht ans andere Ufer, sondern direkt in die Postgasse oder auf die halbe Höhe des Treppenturms führen. „Eine Entscheidung darüber ist noch nicht gefallen“, so Schuler.