Musikfest Stuttgart Mahlers 3. Sinfonie im Taschenformat

Rainer Cosett vom Freigeist Ensemble am Cello Foto: Holger Schneider

Das Freigeist Ensemble hat beim Musikfest Stuttgart eine Bearbeitung von Mahlers 3. Sinfonie gespielt.

Es kann verschiedene Gründe geben, musikalische Werke zu bearbeiten. Die Flut an Opernparaphrasen im 19. Jahrhundert etwa ist schlicht damit zu erklären, dass es für Bürger kaum möglich war, ein Opernhaus zu besuchen. Auch Beethovens Sinfonien wurden für diverse Besetzungen arrangiert, was zwar den Verlegern viel Geld, den Komponisten aber in Rage brachte: als „Ragout“ und „Frikassee“ tadelte Beethoven solcherart Machwerke.

 

Geht das auch mit weniger?

Durch die Möglichkeit audiotechnischer Wiedergabe hat sich das geändert, auch das Konzertleben selbst bietet heute weitaus mehr Möglichkeiten. Bestimmte Werke freilich haben auf Konzertprogrammen immer noch Seltenheitswert, was in erster Linie mit deren aufführungstechnischen Anforderungen zusammenhängt. Besonders gilt das für einige Sinfonien Gustav Mahlers: Die dritte etwa ist mit sechs Sätzen und 95 Minuten Dauer nicht nur die längste, sondern benötigt mit Altsolo, Frauenchor und Knabenchor auch eine Besetzung, die unter Abokonzertbedingungen nur schwer zu realisieren ist.

Geht das auch mit weniger? Dieser Frage ist man nun in einem Konzert im Rahmen des Musikfests Stuttgart im Mozartsaal nachgegangen, wo das Freigeist Ensemble mit gerade einmal 17 Musikern nebst Chören und Solistin ein Arrangement von Ronald Kornfeil der 3. Sinfonie gespielt hat.

Sämtliche Instrumente waren dabei solistisch besetzt: Sechs Streichern standen so acht Bläser und zwei Perkussionisten gegenüber, was für die Klangbalance gravierende Konsequenzen hatte. Zwar taten die Streicher alles, sich der Übermacht zu erwehren, standen dabei aber auf verlorenen Posten. Nun zählen Sarkasmus und Militärkapellencharakter durchaus zu den Ingredienzen dieser Sinfonie, speziell im Marschduktus des ersten Satzes. Über weite Strecken klang es hier dennoch wie eine Karikatur des Originals. Und was bleibt von dem großen Gesang des Finalsatzes, diesem sich apotheotisch steigernden Lamento, wenn das tragende Element – die Streicher – quasi eliminiert sind?

Altsolo mit wunderbarer Inbrunst

Es mag durchaus seinen Reiz haben, einmal quasi wie unter einem Röntgengerät Bläserlinien zu verfolgen, die sonst im Gesamtklang untergehen. Dazu sang Sarah Connolly das Altsolo mit wunderbarer Inbrunst, und auch die Stuttgarter Hymnus-Chor-knaben nebst einem kleinen Frauenchor agierten ohne Fehl und Tadel.

Doch Mahlers Anspruch an diese Sinfonie als „etwas, was die Welt noch nicht gehört hat“ – in diesem Partiturtorso blieb er reine Fiktion.

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