Technisch weiter ist Nina Stepanek, die bereits die wichtigsten Akkorde greifen kann. Die 28-Jährige mit Downsyndrom ist seit ihrer Kindheit an der Musikschule, neben Gitarre spielt sie auch noch Flöte und Akkordeon. Ihre große Liebe ist der deutsche Schlager. Zu Hause hortet sie eine riesige CD-Sammlung, ihre aktuellen Lieblingslieder bringt sie immer mit in den Unterricht, wo Ulrich Warnecke dann das Akkordschema heraushört und für sie aufschreibt. An diesem Tag ist es ein Titel von DJ Ötzi: "Ising a Liad für di". Nach ein paar Mal Probieren klappt das schon ganz gut. Doch bloßes Nachspielen genügt Nina Stepanek nicht. Zu der Ballade "Über sieben Brücken musst du gehn" hat sie eigene Verse geschrieben, die sie David gewidmet hat, ihrem ehemaligen Zivildienstleistenden, für den sie heute immer noch Gefühle hegt: "Über sieben Brücken muss ich gehn, sieben Wunderkerzen brennen sehn. Sie sagen, David, bleib für immer bei mir, David, I wish you were here."

 

Nicht nur für Nina Stepanek ist das Musizieren ein fester Bestandteil ihres Lebens. Auch der 30-jährige Manuel Schabel betreibt sein Hobby mit Leidenschaft. "Leistung ist mein Motto", sagt er, während er allerlei Effektgeräte aus seinem Koffer packt. 1991 war er Schüler im allerersten Orientierungskurs, danach lernte er erst Gitarre, dann E-Gitarre und ließ sich von seinem Nachbarn Mat Sinner, einem bekannten Hardrockbassisten, schließlich für den viersaitigen E-Bass begeistern.

Manuel Schabel spielt auch in der Ostfilderner Behindertenband Bluespolizei, die schon etliche Auftritte hinter sich hat. Wenn der junge Mann Unterricht hat, wird das Musikzimmer zum Jamkeller. Ulrich Warnecke stöpselt seine E-Gitarre in den kleinen Verstärker, ein Rhythmusgerät liefert den Schlagzeuggroove, und dann wird losgerockt: "I still got the Blues" von Gary Moore. Und dann "Blues in the Night", ein Stück, das sich Manuel Schabel zu großen Teilen selber ausgedacht hat. Es beginnt mit anschwellenden Basstönen und mündet in einen knackigen Bluesrock. Wer das hört, kommt nicht darauf, dass hier einer mit Downsyndrom spielt. So gut klingt das. Natürlich erreichen nicht alle Behinderten ein solches Niveau. Darum geht es Nicole Sturm-Goes auch nicht. Der Lehrerin ist wichtig, die Schwellenangst überwinden zu helfen. "Man muss den Eltern signalisieren: Auch ihr Kind kann in die Musikschule."