Das Stuttgarter Linden-Museum feiert die Kultur des früheren Burma. In einer prachtvollen Ausstellung mit mehr als zweihundert Exponaten zeigt es „Myanmar – Das Goldene Land“.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Eigentlich wäre Seide tabu. Schließlich werden bei der Gewinnung von Seide auch Tiere getötet – und Buddhisten dürfen nicht töten. In Myanmar tragen die Menschen trotzdem herrliche Seidengewänder. Ein kluger Winkelzug macht‘s möglich: Buddhisten sind für sich selbst verantwortlich. Wer Seidenspinner tötet, lädt Schuld auf sich. Wer Seide nur kauft, aber nicht. Entsprechend, erzählt Georg Noack, könnten Buddhisten auch Fleisch essen – sofern sich andere die Hände mit dem Töten der Tiere schmutzig machen.

 

Georg Noack ist nicht nur ein ausgewiesener Experte für die Kultur von Myanmar, sondern auch ein Liebhaber dieses „Goldenen Landes“ in Ostasien, das übersät ist mit zahllosen in der Sonne glänzenden Pagoden und Tempeln. Im Stuttgarter Linden-Museum hat Noack nun die Ausstellung „Myanmar. Das Goldene Land“ kuratiert, bei dem die Besucher wie in ein goldglänzendes Schatzkästchen eintauchen. Sämtliche Wände, sogar die Sockel der Vitrinen, sind mit Goldfolie bespannt, die im Licht der Scheinwerfer edel strahlt und funkelt.

Der Glaube ist im Alltag stets präsent

Gold steht in Myanmar für Reinheit, weshalb sich die Menschen auch eine leuchtend gelbe Paste ins Gesicht schmieren, die nicht nur die Haut pflegt, sondern wie – eben auch Gold – Unheil abwehrt. Kleidung, Schmuck oder auch Tätowierungen werden besondere Kräfte zugeschrieben. So ist es erst die Robe, die den Mönch zum Sohn Buddhas macht. Bis auf den heutigen Tag sollen auch Tätowierungen vor Geistern schützen und sogar vor tödlichen Gewehrkugeln.

89 Prozent der Bewohner Myanmars sind Buddhisten. Der Glaube ist im Alltag stets präsent – und die Stuttgarter Ausstellung will entsprechend zeigen, welchen Einfluss die Religion auf die Kleidung, das Theater oder auch die Feste hat. Buddhisten feiern keine Gottesdienste, sie beten auch nicht zu Buddha, sondern erweisen ihm die Ehre. So beginnt der Rundgang im Linden-Museum mit einem Hausschrein, wie man ihn in fast jeder Wohnung in Myanmar finden kann. In dem kleinen Altar sitzt ein friedlich ruhender Buddha, liebevoll geschmückt mit Kerzen, Räucherstäbchen und zumindest auf den westlichen Betrachter kitschig wirkenden Blinklichtern.

Die zweihundert Exponate – Schmuck, Kleidung, Buddhafiguren Fotografien – geben einen sinnlichen Eindruck dieser fernen Kultur, in der Jungen in Prinzenkostüme gesteckt werden. Wie einst der Prinz Siddhartha werden sie in der Shinpyu-Zeremonie in ein Kloster geleitet, wo ihnen die Haare geschoren werden und sie die Mönchsrobe anlegen – und als „Sohn des Buddha“ fortan von den Eltern verehrt werden, schließlich bringen die kleinen Mönche gutes Karma über die Familie. Auch erwachsene Männer begeben sich für zwei, drei Wochen pro Jahr ins Kloster, um als Mönch zu leben. In einer Vitrine liegen die wenigen Dinge, die Mönche besitzen dürfen: Unter- und Überrobe, Tuch, Gürtel, Rasiermesser, Nähzeug und Wasserfilter sowie eine Lackschale für die Essensgaben.

Die Geister im Zwischenreich

Ein Drittel ihres Einkommens investieren die Menschen in Myanmar in die Religion. Und sie machen auch den Geistern regelmäßig großzügige Geschenke. In einer Nische kann man 37 kleine Figuren treffen, die sogenannten Nat-Geister, historische Persönlichkeiten, die zu Unrecht getötet wurden und nun in einem unentschiedenen Zwischenzustand als Geister gefangen sind. Ihnen werden Bananen und Kokosnüsse geopfert, aber auch Alkohol und Bargeld, um sie zu besänftigen und den Menschen bei Krankheiten oder finanziellen Schwierigkeiten zu helfen.

Die reiche Kultur des Landes hat sich erhalten, unabhängig von westlichen Einflüssen. Das Linden-Museum hat sich bewusst für die Bezeichnung Myanmar entschieden und gegen die Namen Birma und Burma, die in der Kolonialzeit geprägt wurden. Nicht alles im Goldenen Land ist gülden. Bis vor vier Jahren wurde Myanmar von einer Militärdiktatur regiert, und trotz demokratischer Entwicklungen gibt es zahlreiche ethnische und religiöse Konflikte. Die Ausstellung im Lindenmuseum zeigt aber, was Reiseanbieter längst begriffen haben: Myanmar ist eine Reise wert.