Zwei Wochen nach dem Münchner Amoklauf hätte die Doku-Serie „Darknet“ die dunkle Seite des Internets erklären können. Stattdessen kümmert sich N24 vier Doppelfolgen lang lieber um Phänomene und Freaks. Das ist allerdings auch nicht unspannend.

Stuttgart - „Dark“ – das klingt ja schon mal schön zwielichtig. So übersetzt, war „Dark Knight“ der dunkle Kern des edlen Batman. Darkrooms sind dubios, Dark Metaller todessehnsüchtig, falls etwas „Darknet“ heißt, kann es also kaum Gutes bedeuten; das macht auch Jodie Fosters deutsche Stimme klar, wenn sie die gleichnamige Doku auf N24 einleitet. „Jenseits des World Wide Web herrschen eigene Gesetze“, kriecht ihr Kommentar düster aus dem Off, heißt uns „Willkommen im Darknet“, lädt Arglose aber gleich wieder aus: „Willkommen auf der dunklen Seite!“

 

Gemeint ist jene Grauzone des Internets, die sich jeder Kontrolle durch komplexe Zugangsbarrieren entzieht. Obwohl sie einst eher dem Wunsch nach digitaler Anonymität als krimineller Energie entsprungen ist, tummeln sich darin aus Sicht des Regisseurs Mati Kochavi vor allem finstere Gestalten. Leute wie David S. etwa, der die Waffe für seinen Münchner Amoklauf im Darknet gekauft hat. Der Achtteiler spielt zwar in Amerika; zwei Wochen nach der Tat mit illegal erworbener Waffe aber ist das Thema auch hier von größtem Interesse.

Wem nützt das?

Allerding zerfranst das ganze ziemlich: Es kommen zwar spannende Internetakteure vor: Ein Hacker zum Beispiel, der sich zum Auftakt mit US-Behörden anlegt und dafür ein Online-Verbot kassiert. Oder eine Content-Moderatorin, die das Material normaler Suchmaschinen von unerwünschten Treffern reinigt, damit sie beim Googeln von „Melonen“ wirklich Südfrüchte zeigen. Dazu Themen von Pornografie über Online-Sucht bis Netzkriminalität. Mit einem hat all dies jedoch oft nur am Rande zu tun – dem Darknet.

Das ist ein verschwiegener Raum ortsloser Kommunikation fernab der sichtbaren Welt mit www davor. Man klickt nicht einfach darknet.com an, sondern braucht passende Kontakte, Codes und Kenntnisse. Als Teil des Deep Web treten die Nutzer tief unterm Radar miteinander in Kontakt – privat, verschlüsselt, schwer verfolgbar. Wie es funktioniert, was es kann, wer es nutzt, wem es nützt und wem schadet – all dies hätte man gerade in den Tagen von München zu gern von N24 erfahren. Doch mit Thriller-Dramaturgie, CSI-Ästhetik und dem kommerziellen Zwang zur Soundkanonade widmet sich die Serie vielem, was von Hasskommentare bis Überwachung schief läuft im digitalen Miteinander; nur wirklich erklärt wird herzlich wenig. Dafür geht es um Phänomene, Schauwert, und wenn Jodie Foster über 1000 Schnitte hinweg murmelt, das Word Wide Web kenne „weder Recht noch Ordnung“, auch viel um Küchenpsychologie.

Übergriffige Hände

Dass „Darknet“ dennoch sehenswert ist, liegt daher nicht am aufklärerischen Ansatz, sondern am beeindruckenden Panorama, das hier entfaltet wird. Anarchistische Polizeihasser, die aus uramerikanischer Selbstermächtigungsarroganz Waffenschmieden für den Privatgebrauch verkaufen, sind hier Szene an Szene mit Objekten polizeilicher Willkür zu sehen, die sich fortan zivilgesellschaftlich engagieren. Und den Job von Content-Moderatoren, bei 1,8 Milliarden hochgeladener Bilder pro Tag jene herauszufiltern, in denen Kindern durch übergriffige Hände „berührt“ werden, sieht man danach auch mit anderen Augen.

So was geschieht allerdings vorwiegend in jenen zwanzig Prozent des Internets, die frei zugänglich sind. Wie es in den vier dunklen Fünfteln zugeht, erklärt uns N24 vielleicht ja ein andermal.

Sendetermin Ab Freitag, 5. August, vier Doppelfolgen, 23.05 Uhr