Trotz der neuen Empfehlung zum Impfen von Jugendlichen verzeichnen die Stuttgarter Kinderarztpraxen aktuell noch keine besondere Nachfrage nach Impfterminen. Nach den Sommerferien könnte sich das ändern.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Für viele Eltern und Kinder sind Wochen des Wartens und der Unsicherheit zu Ende gegangen. Am Montag hat die Ständige Impfkommission (Stiko) eine generelle Corona-Impfempfehlung auch für Zwölf- bis 17-Jährige ausgesprochen. In den Stuttgarter Kinderarztpraxen hat diese Entscheidung aber bisher keinen besonderen Andrang an impfwilligen Jugendlichen ausgelöst. Die Mediziner gehen davon aus, dass sich das nach den Sommerferien ändert.

 

Die Urlaubszeit wirkt sich aus

„Am Montag haben ein paar Leute angerufen, heute einige weniger, wir sind nicht überfordert“, beschreibt Tilo Sauter, der stellvertretende Obmann der Stuttgarter Kinderärzte, die Reaktionen auf die Entscheidung der Stiko. „Die Menschen sind im Urlaub“, erklärt er sich die überschaubare Resonanz. Sauter hat bisher Kinder und Jugendliche dieser Altersgruppe eher zurückhaltend geimpft, bei Vorerkrankungen, wie von der Stiko vorher empfohlen, und andere nur, wenn es für eine Familie oder einen Jugendlichen „sehr dringend war“.

Nun ist Tilo Sauter froh, dass die Stiko dafür definitiv „das Plazet“ gegeben hat. Dennoch bleibe das Impfen auch gegen das Coronavirus jeweils „eine individuelle Entscheidung“. Und er betont einmal mehr, dass sich zuallererst alle Erwachsenen impfen lassen müssten. Für die Jugendlichen bedeute die neue Stiko-Empfehlung angesichts der Belastungen in den zurückliegenden Monaten jetzt aber mehr Klarheit. Sauter: „Sie sichert ihnen zu, dass sie jetzt wieder die Freiheit haben, sich auch gut zu entwickeln.“

Manche Praxen haben schon viel geimpft

Für Peter Rasspe, der eine Kinderarztpraxis im Stuttgarter Norden hat, ist die aktuelle Entscheidung der Stiko „längst überfällig“. Er findet, dass sich das Expertengremium mit seiner vorherigen Haltung angesichts der vielen Erkenntnisse beim Impfen von Jugendlichen insbesondere in den USA „ziemlich ins Abseits manövriert“ habe.

Auch in der Praxis von Peter Rasspe haben sich seit der neuen Empfehlung aber nicht mehr Impfwillige gemeldet. Er sei als „Impfbefürworter bekannt“, erzählt der Kinderarzt. Entsprechend groß sei die Zahl der jungen Menschen in der Altersgruppe von zwölf bis 17 Jahren, die er bereits geimpft habe. „Mehr als 150 Patienten schon zum zweiten Mal, das ist nicht so wenig“, sagt Rasspe.

Sommerpause beim Impfen

Einige Zeit hatte er sich dafür den Donnerstagnachmittag freigehalten. Nach den Sommerferien will er diese Praxis fortführen. „Da bleibe ich dran“, sagt der Kinder- und Jugendmediziner. Dann wird sich zeigen, ob „das Lager, das bisher abwartend ist“ und das es auch unter seinen Patienten gibt, auch zum Impfen kommt. Wobei es auf der anderen Seite auch Familien gebe, die gerne sogar ihre Kinder unter zwölf Jahren impfen lassen würden. Das seien aber wenige Einzelfälle, denen man ohne einen zugelassenen Impfstoff nicht entgegenkommen könne.

Auch in der Kinderarztpraxis von Rainer Gutbrod im Stadtteil Rot sind jüngst „nur ein paar Anrufe“ wegen des Impfens eingegangen. „Aber mit dem Urlaubsende wird sich das vermutlich ändern“, schätzt er. Auch Rainer Gutbrod hat von Anfang an geimpft, zuerst Erwachsene, später, mit der Zulassung des Impfstoffs für diese Gruppe, auch Jugendliche, wenn sie es wünschten. Derzeit macht er beim Impfen aber Sommerpause.

Was bringt die künftige Corona-Verordnung?

Seit Juli und vor allem seit es Impfmöglichkeiten für Jugendliche auch in Impfzentren gebe und diese offenes Impfen anbieten, bekomme man die Termine nicht mehr voll. „Die Nachfrage ist einfach zu gering“, sagt er. Zum einen hätten auch viele Familien, die dem Impfen der Kinder grundsätzlich durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen, diese noch nicht immunisieren lassen. Und Rainer Gutbrod schätzt, dass „etwa ein Viertel bis ein Drittel eher zurückhaltend bis kritisch sind“. Der Kinderarzt glaubt, dass die Impfnachfrage nach den Sommerferien stark davon abhängen werde, welche Regeln es für Jugendliche in der Schule geben wird, etwa was die Testpflicht angeht. Rainer Gutbrod ist überzeugt: „Die jetzige Coronaverordnung ist da nicht das letzte Wort.“