In Wortgefechten sind die UN-Diplomaten geübt, doch in Sachen Syrien gehen selbst ihnen langsam die Ideen aus. Während Russland den mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien ganz leugnen will, warnen die USA, solche Vorfälle könnten zur schleichenden Normalität werden.

New York - Russland hat die Echtheit eines mutmaßlichen Giftgasangriffs in Syrien, bei dem Aktivisten zufolge mehr als 150 Menschen getötet und rund 1000 verletzt wurden, in Frage gestellt. Russische Ermittler hätten keine Belege für einen solchen Angriff gefunden, sagte Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja in einer Sitzung des Weltsicherheitsrats am Montag in New York. Rebellen hätten den Angriff lediglich inszeniert.

 

Die Berichte aus der von Rebellen kontrollierten Stadt Duma in Ost-Ghuta über einen Angriff seien „fake news“. Nicht ein einziger Bewohner habe bestätigt, dass ein Chemiewaffenangriff stattgefunden habe. Experten der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) sollten umgehend in die Region reisen, um sich ein eigenes Bild von der Lage vor Ort zu machen, sagte Nebensja. Die russischen und syrischen Truppen würden ihnen Zugang zu der Region ermöglichen.

Sicherheitsrat zum Handeln aufgefordert

Nebensjas US-Amtskollegin Nikki Haley warf Russland vor, nach dem Vorfall „Blut an den Händen“ zu haben. Unabhängig von der Reaktion der Weltgemeinschaft würden die USA handeln, kündigte sie an. Zugleich warnte sie davor, dass der Einsatz von Chemiewaffen zur Normalität werden könnte. „Das große Böse der Chemiewaffen, das die Welt einst in Opposition vereinte, steht kurz davor, zur neuen Normalität zu werden.“ Der Sicherheitsrat müsse nun „seine Pflicht erfüllen oder sein völliges und komplettes Versagen dabei demonstrieren, das syrische Volk zu schützen.“

Die für den mutmaßlichen Giftgasangriff Verantwortlichen bezeichnete Haley als „Monster“. „Wer tut so etwas? Nur ein Monster tut so etwas. Nur ein Monster greift Zivilisten an und stellt sicher, dass keine Rettungswagen vor Ort sind, um deren Verletzungen zu behandeln.“ Die USA machen die Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad für den Angriff verantwortlich. Russland weist das zurück.

Der UN-Sonderbeauftragte Staffan de Mistura forderte eine rasche und unabhängige Aufklärung des mutmaßlichen Angriffs. Giftgasangriffe seien „extrem besorgniserregend“ und stellten einen Bruch internationalen Rechts dar. „Wir sehen keine Deeskalation, wir sehen das Gegenteil“, sagte De Mistura, und forderte den Rat zum raschen Handeln auf.

Russland sieht sich bedroht

Nebensja hatte die USA vor Haleys Rede als unbeliebten Staat gezeichnet. „Sie irren, wenn Sie glauben, dass Sie Freunde haben“, sagte Nebensja an Richtung Haleys. „Ihre angeblichen Freunde sind nur diejenigen, die nicht Nein zu Ihnen sagen können. Russland hat Freunde, und anders als Sie haben wir keine Gegner. Wir sehen die Welt nicht durch dieses Prisma.“

Den USA und deren Verbündeten Frankreich und Großbritannien warf Nebensja Versagen im Nahen Osten vor. „Was auch immer Sie anfassen, Sie hinterlassen nur Chaos“, sagte er. Den Regierungen in Washington, Paris und London warf er „Beleidigungen, Erpressung, Sanktionen und flegelhaftes Verhalten“ vor. Russland werde auf unentschuldbare Weise und noch stärker als zu Zeiten des Kalten Krieges bedroht. Die Berichte über den mutmaßlichen Giftgasangriff seien der Versuch des Westens, vom Fall des vergifteten russischen Doppelagenten Sergej Skripal abzulenken.