Zwei milliardenschwere Geldgeber teilen sich die Mehrheit am Karstadt-Konzern: René Benko und Nicolas Berggruen. Über ihre Pläne ist bislang nur wenig bekannt; dafür gibt es umso mehr Spekulationen, die die Mitarbeiter verunsichern.

Stuttgart - Eigentlich wird in den laufenden Tarifgesprächen bei Karstadt über zwei Dinge verhandelt: eine Rückkehr in die Tarifbindung, aus der das Unternehmen im Mai ausgestiegen ist, sowie eine Beschäftigungs- und Standortgarantie. „Es geht uns nicht nur um einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen, sondern auch um die tatsächliche Erhaltung von Arbeitsplätzen“, sagte Verdi-Verhandlungsführer Rüdiger Wolff der Stuttgarter Zeitung. Auch die natürliche Fluktuation müsse ausgeglichen werden, so der Gewerkschafter, denn die Belegschaft sei bereits an ihrer Belastungsgrenze angelangt.

 

Der überraschende Einstieg des Großinvestors René Benko in den kränkelnden Kaufhauskonzern hat die Ausgangslage für die Gespräche jedoch grundlegend verändert. Nun teilen sich zwei milliardenschwere Geldgeber die Mehrheit an der Warenhauskette. Über die Pläne des Deutsch-Amerikaners Nicolas Berggruen und des Österreichers Benko ist bislang nur wenig bekannt; dafür gibt es umso mehr Spekulationen, die die Mitarbeiter verunsichern. Verdi fordert deswegen Klarheit über die Zukunft des Konzerns. Wenn heute die Gespräche fortgesetzt werden, soll die Arbeitgeberseite zunächst Antworten auf eine Reihe von Fragen an die Investoren präsentieren. „Wir wissen bisher nur, was bereits der Presse zu entnehmen gewesen ist, und mein Eindruck bei den letzten Tarifgesprächen war, dass die Geschäftsführung auch nicht mehr wusste“, so Wolff. Ein Überblick über einige Kernpunkte.

Bleibt Karstadt als Ganzes erhalten?

Eine Zerschlagung des Unternehmens ist nicht ausgeschlossen, de facto wurde sie sogar bereits eingeleitet. Berggruen hat Karstadt, nachdem er es im Sommer 2010 aus der Insolvenzmasse von Arcandor heraus übernommen hatte, in drei organisatorische Bereiche aufgeteilt: eine Premiumsparte mit den drei Luxuswarenhäusern KaDeWe in Berlin, Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München; Karstadt Sport mit bundesweit 28 Geschäften sowie die Warenhaus AG, in der die übrigen 83 klassischen Kaufhäuser versammelt sind.

Große Unsicherheit bei der Unternehmensstruktur

Momentan liegt die Führung der drei Bereiche allerdings (noch) in einer Hand. Auch Aufgaben wie Einkauf, Buchhaltung oder Personalverwaltung werden von der Essener Karstadt-Zentrale aus geregelt. „Wird das erhalten?“, fragt Wolff. Er beschreibt die Situation vieler Beschäftigter in Essen am Beispiel eines Einkäufers, der heute nicht weiß, ob er künftig noch für drei verschiedene Bereiche des Konzerns einkaufen wird oder nur noch für einen – und deswegen nicht sicher sein könne, dass sein Arbeitsplatz erhalten bleibt.

Wohin fließen die Investitionen?

Benkos Immobilienholding Signa hat sich, wie Mitte September bekannt wurde, je 75,1 Prozent der Anteile an den beiden als profitabel geltenden Bereichen Premium und Sport gesichert und im Gegenzug garantiert, den Kaufpreis von 300 Millionen Euro in Karstadt zu investieren. Nach Bekanntwerden der Transaktion war zunächst der Eindruck entstanden, dieses Geld werde komplett in die Warenhaus AG gesteckt, um den am wenigsten rentablen Bereich aufzupäppeln. „Mittlerweile wissen wir aber, dass lediglich 150 Millionen Euro in die klassischen Filialen fließen sollen, die andere Hälfte geht an die Premium- und Sporthäuser“, erläutert Wolff. Immerhin diese Zahlen seien mittlerweile von der Geschäftsführung bestätigt.

„Was wir jedoch nicht wissen ist, wann diese Gelder fließen und wofür sie eingesetzt werden“, bemängelt der Verdi-Verhandlungsführer. Sollte ein großer Teil des Geldes in neue IT- und Warenwirtschaftssysteme investiert werden, so Wolff, könne dies ein Hinweis darauf sein, dass die Zerschlagung des Unternehmens weiter vorangetrieben werde. Der Gewerkschafter räumt allerdings auch ein, dass die bisherige Technik erneuerungsbedürftig sei.

Wo soll investiert werden?

Wohin darüber hinaus investiert wird, sei ebenfalls noch völlig unklar: „Wird Geld zur Sicherung von Arbeitsplätzen eingesetzt? Wird damit die Renovierung aller modernisierungsbedürftigen Häuser finanziert oder nur der Umbau von Immobilien, die Herrn Benko gehören?“, fragt Wolff. Der Großinvestor hatte vor der Mehrheitsübernahme der beiden Geschäftsfelder bereits rund zwei Dutzend Karstadt-Immobilien erworben, darunter sind nach Informationen der Stuttgarter Zeitung auch Gebäude einiger klassischer Warenhäuser in guter Lage, etwa in Stuttgart, Karlsruhe und Dresden. Damit würde Benko den Kaufpreis in die Modernisierung seiner eigenen Häuser stecken – was die Frage aufwirft, was aus dem ‚Rest’ wird.

Wer leitet den Konzern operativ?

„Wir wissen bis heute nicht, ob der Kaufvertrag zwischen Nicolas Berggruen und René Benko bereits unterschrieben ist und wenn ja, ab wann er wirksam wird“, kritisiert Wolff. In diesem Zusammenhang wollen die Arbeitnehmervertreter auch endlich Gewissheit, welche Auswirkungen der Eigentümerwechsel auf die operative Leitung von Karstadt hat. Bleibt die Geschäftsführung überhaupt in einer Hand – und wenn ja, in wessen Hand. Der bisherige Geschäftsführer Andrew Jennings hat seinen Abgang bereits verkündet, er wird Karstadt zum Jahreswechsel verlassen. Ein Nachfolger ist bisher nicht benannt. „Es gibt auch hier viele Spekulationen aber keine Lösung“, sagt Rüdiger Wolff. Von der künftigen gesellschaftsrechtlichen Struktur des Konzerns seien außerdem auch die Mitbestimmungsrechte durch Betriebsräte maßgeblich beeinflusst.

Was hat die Belegschaft zu erwarten?

René Benko hat eine Luxus-Strategie angekündigt: „In Deutschland gibt es für Premium-Kaufhäuser noch andere Standorte, die wir entwickeln wollen.“ Wie das geschehen soll, lässt er offen. Eine andere Aussage des Österreichers dürfte jedoch mit gemischten Gefühlen von der Belegschaft aufgenommen worden sein: Mitarbeiter von Karstadt-Premium und -Sport müssten keine Angst um ihre Arbeitsplätze haben, so Benko, „im Gegenteil, wir werden investieren und weiteres Personal einstellen.“