Nach Groko-Einigungen zur Pflege Pflegekompromiss stößt auf Kritik

Union und SPD haben sich auf Maßnahmen für bessere Pflege verständigt. Heime sollen zusätzlich 8000 Pflegekräfte einstellen. Experten nennen die Vereinbarungen einen „schlechten Witz“.
Berlin - Der letzte Bundestagswahlkampf ist Geschichte. Seither allerdings ist den Fachleuten von Union und SPD völlig klar, wie sehr die Pflege in den Krankenhäusern, ambulanten Pflegediensten oder Pflegeheimen den Bürgern auf den Nägeln brennt. Kein Wunder, dass sich die Unterhändler in den schwarz-roten Koalitionsgesprächen schon auf mehrere Vorschläge geeinigt haben. Doch von Seiten der Sozialverbände, des Pflegerats und der Grünen hagelt es daran Kritik.
So wollen Union und SPD erreichen, dass in den Heimen zusätzlich 8000 Pflegekräfte für die so genannte medizinische Behandlungspflege tätig werden. Weil Kliniken und Pflegeeinrichtungen schon heute händeringend Mitarbeiter suchen, wird der Zuwachs auf sich warten lassen. Und wer für die Kosten von schätzungsweise 400 Millionen Euro im Jahr aufkommt ist ungeklärt. Das, sagt die Grünen-Abgeordnete Kordula Schulz-Asche, sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ähnlich argumentiert der Paritätische Wohlfahrtsverband, der meint, für eine gute Pflege seien etwa 100 000 zusätzliche Kräfte nötig.
Offen ist, wie sich eine ordentliche Bezahlung der Pfleger realisieren lässt
Offen ist auch, was aus einem weiteren Ziel der Unterhändler wird. Dabei geht es darum, überall in der Pflege Tarifverträge anzuwenden – also überall eine ordentliche Bezahlung durchzusetzen. Offenbar ist daran gedacht, bestehende Verträge für allgemein verbindlich zu erklären. Das Arbeitsministerium soll nun einen Plan ausarbeiten, wie dieses Instrument erstmals auch für die Pflegebranche eingesetzt werden könnte. Und daran knüpfen sich dann viele weitere Fragen. Seitdem die gesetzliche Pflegeversicherung vor mehr als 20 Jahren eingeführt wurde, ist sie, salopp gesprochen, als Teilkasko-System angelegt. Sie übernimmt also nicht alle anfallenden Kosten. Steigen aber die Gehälter von Pflegekräften, erhöhen sich im heutigen System auch die Eigenanteile der Pflegebedürftigen. Können sie dafür nicht aufkommen, springt die Kommune mit Mitteln aus der Sozialhilfe ein. Ein Ausweg wäre, den Pflegeversicherungsbeitrag der Arbeitnehmer zu erhöhen oder Steuermittel für die Pflegeversicherung aufzubringen.
Vorhaben, die schon angelaufen sind
Es tut sich also ein seltsamer Gegensatz auf: Obwohl die Koalitionäre in spe genau wissen, wie wichtig das Pflege-Thema für viele ist, liefern sie nur Willensbekundungen oder bleiben wesentliche Antworten ganz schuldig. Dafür betonen sie Vorhaben, die schon angelaufen sind. So war in der letzten Wahlperiode eine Reform der Pflegeberufe (Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege) nur zu Teilen gelungen. Was in puncto Berufereform noch aussteht, soll jetzt kommen. Geplant ist auch, den ambulanten Pflegediensten mehr Geld zu geben. Um komplizierte Verfahren einfacher zu machen, wollen Union und SPD bestimmte Pflegeangebote in einem jährlichen Budget zusammenfassen. Die schwarz-roten Beschlüsse springen aus Sicht des Deutschen Pflegerats zu kurz: „Es ist auch weit davon entfernt, was CDU/CSU und SPD im Wahlkampfendspurt versprochen hatten.“ So sieht es auch Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands: „Gemessen an den Wahlkampfversprechungen ist es ein schlechter Witz.“
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