Das Ausmaß der Hasskriminalität im Internet erreicht nach der Ermordung von Walter Lübcke offenbar ungeahnte Dimensionen. Allerdings handelt es sich auch für die Behörden in Baden-Württemberg nicht um eine neue Deliktsart.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Stuttgart - Im Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) erwarten die Behörden mehrere tausend Strafverfahren wegen Hasskommentaren im Internet. Man habe mehr als sieben Gigabyte Material gesammelt, sagte ein Sprecher des hessischen Innenministeriums dem Hessischen Rundfunk (hr). Täglich erhalte man von Ermittlungsbehörden aus ganz Deutschland neue Hinweise. Dabei gehe es um Beleidigungen, Bedrohungen, aber auch Volksverhetzung und den öffentlichen Aufruf zu Straftaten.

 

Auch das Demokratiezentrum bei der Jugendstiftung Baden-Württemberg, das die einzige unabhängige Meldestelle für Hasspostings in Deutschland betreibt, registrierte einen sprunghaften Anstieg der Meldungen. Solche aktuellen Ereignisse führten regelmäßig zu einem Hochschnellen der Fallzahlen, erklärte ein Sprecher des Demokratiezentrums gegenüber unserer Zeitung. Seit der Gründung der Plattform „respect!“ im Juli 2017 habe man insgesamt 1800 Meldungen erhalten. Etwa ein Drittel der Fälle habe man zur Anzeige gebracht.

Auch das Stuttgarter Landeskriminalamt beobachtet die Zunahme der Hasspostings in den sozialen Netzwerken mit Sorge. Im Jahr 2017 hatte das LKA 160 Fälle bearbeitet und davon 98 aufgeklärt, sagte ein Sprecher gegenüber unserer Zeitung. Im Jahr 2018 seien es bereits 205 Fälle gewesen. Hier habe man 107 Taten aufklären können.

Die Täter stünden in den allermeisten Fällen rechts. 2018 hätten 186 Ermittlungsverfahren rechte und rechtsextreme Hasskommentare betroffen. Das entspricht einem Anteil von 90 Prozent. Ein ähnlicher Wert ergab sich demnach schon im Jahr 2017. Auch im ersten Quartal 2019 setzte sich diese Entwicklung fort. Auf das Konto ausländischer und religiöser Ideologien gingen nach Einschätzung der Experten vom Staatsschutz des LKA 2018 jeweils nur vier Hasspostings. Aus dem linken Milieu stammten demnach drei, acht habe man nicht zuordnen können.

Derweil gab die Staatsanwaltschaft Kassel bekannt, dass bisher zwei Ermittlungsverfahren anhängig seien. Wie ein Sprecher der Behörde auf hr-Anfrage mitteilte, gehe es in einem Fall um den Verdacht der Volksverhetzung. Beim anderen Fall soll es sich demnach um die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener drehen. Hier ermitteln die Behörden aber nicht wegen eines Internet-Kommentars, sondern wegen eines demütigenden Eintrags in einem Kondolenzbuch für Walter Lübcke.