Trotz der Drohungen aus Israel gilt Palästina aus der Sicht Norwegens seit Dienstag als eigenständiger Staat. Auch Spanien und Irland folgen dieser Einschätzung. Welche Länder Palästina noch anerkennen – und warum das umstritten ist.

Digital Desk: Lotta Wellnitz (loz)

Mehr als sieben Monate nach dem Angriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel haben die beiden EU-Mitgliedsländer Spanien und Irland sowie Norwegen offiziell am Dienstag einen palästinensischen Staat anerkannt. Angekündigt hatten sie das vor rund einer Woche. Israel rief damals unmittelbar nach den Ankündigungen seine Botschafter in den drei Ländern zu Beratungen zurück. Auch hatte das Land die Ankündigung als "Belohnung für Terrorismus" verurteilt.

 

Der Schritt von Spanien, Irland und Norwegen bedeutet einen Bruch mit der langjährigen Haltung westlicher Länder, einen palästinensischen Staat nur als Teil einer Friedensvereinbarung mit Israel anzuerkennen. 

"Wichtiger Schritt"

In Madrid verabschiedete das Kabinett "einen wichtigen Beschluss zur Anerkennung eines palästinensischen Staates", wie Regierungssprecherin Pilar Alegria mitteilte. Norwegens Außenminister Espen Barth Eide sprach von einem "besonderen Tag", Irlands Premierminister Simon Harris von einem "wichtigen Moment". Regierungssprecherin Alegria erklärte, der Beschluss verfolge das Ziel, "Israelis und Palästinensern zu helfen, Frieden zu schließen". Es sei ein "historischer Tag".

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchéz sagte vor der Kabinettssitzung, die Anerkennung sei eine "unverzichtbare Voraussetzung" für Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. Er sei "gegen niemanden, am wenigsten gegen Israel", betonte der Regierungschef. Eide sagte, Norwegen sei seit "mehr als 30 Jahren einer der eifrigsten Verfechter eines palästinensischen Staates". "Der Tag, an dem Norwegen Palästina offiziell als Staat anerkennt, ist ein besonderer Tag für die Beziehungen zwischen Norwegen und Palästina", fügte er hinzu.

Die Regierung in Dublin erklärte, sie erkenne einen palästinensischen Staat als "souveränen und unabhängigen Staat" an. Demnach soll ein irischer Botschafter nach Ramallah im Westjordanland entsandt werden. Regierungschef Harris nannte die Anerkennung ein Signal dafür, dass es "praktische Maßnahmen" gebe, die ein Land ergreifen könne, "um die Hoffnung (...) auf eine Zwei-Staaten-Lösung lebendig zu halten". 

Welche Länder erkennen Palästina als Staat an?

Stand heute haben weltweit nach nach Angaben der Palästinenserbehörde in den vergangenen Jahrzehnten 145 der 193 UN-Staaten einen Palästinenserstaat anerkannt. So etwa folgende Länder:

  • Algerien
  • Afghanistan
  • Pakistan
  • Tschechien
  • Slowakei
  • Rumänien
  • Bulgarien
  • Türkei
  • Bolivien
  • Mexiko
  • Russland
  • Polen
  • Ukraine
  • Schweden
  • Brasilien
  • China
  • Indien
  • Island
  • Iran
  • Ägypten
  • Kenia
  • Norwegen
  • Irland
  • Spanien

Die Mehrheit der Mitgliedstaaten der UN erkennt Palästina inzwischen also als Staat an. Das gilt allerdings nicht für die Mehrzahl der EU-Staaten (wie etwa Deutschland und Frankreich) oder auch die USA und Großbritannien.

Deutschland setzt sich in diesem Zusammenhang für eine Zweistaatenlösung ein, sieht die Anerkennung Palästinas jedoch als Ergebnis direkter Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien. Bei der Zweistaatenlösung wäre ein unabhängiger Staat Palästina neben dem Staat Israel möglich.

Netanjahu reagiert empört

Israels Regierung hatte empört auf die Pläne der drei EU-Länder reagiert und deren Botschafter einbestellt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Anerkennung Palästinas als „Belohnung für Terrorismus“. Irlands Regierungschef Harris Harris etwa verteidigte die Anerkennung dagegen als wichtigen Schritt, der ein Signal an die Welt sende, dass man praktische Schritte unternehmen könne, um die Hoffnung und das Ziel einer Zweistaatenlösung zu erhalten in einer Zeit, in der andere versuchten, sie in die Vergessenheit zu bomben, sagte er dem Sender RTÉ.

Es zeichne sich eine neue verabscheuungswürdige Entwicklung ab - dass etwas Grauenhaftes passiere und der Ministerpräsident von Israel sage, es handle sich um einen tragischen Fehler, kritisierte Harris am Dienstagmorgen. Im April sei es der tödliche Angriff auf Mitarbeiter einer Hilfsorganisation gewesen. Im Mai seien nun Kinder getötet worden, die in einem Vertriebenenzentrum Schutz gesucht hätten. „Was wird der tragische Fehler des Junis sein? Und wichtiger: Was wird die Welt nun unternehmen, um das zu verhindern?“, fragte Harris. Europa könne und müsse deutlich mehr tun.

Warum ist die Anerkennung von Palästina als Staat umstritten?

Die Palästinensischen Gebiete sind ein Begriff für das Westjordanland, den Gazastreifen und den arabisch geprägten, 1967 von Israel eroberten und später annektierten Ostteil Jerusalems. Gefordert wird von den Palästinensern, dass diese Gebiete künftig ein unabhängiger Staat sind.

 

Die Frage, ob die Gebiete als solcher anerkannt werden sollten, ist seit Jahrzehnten umstritten und steht im Mittelpunkt des Israelisch-Palästinensischen Konflikts (Nahostkonflikt).

Unter Fachleuten wie etwa Staatstheoretikern herrscht unter anderem Uneinigkeit darüber, ob die palästinensischen Gebiete die rechtliche Definition eines Staates erfüllen. Kritiker bemängeln also, den Palästinensergebieten fehle es an wichtigen Kriterien für einen solchen Schritt. Zum Beispiel ist die Grenze zwischen Israel und den Palästinensern weiter strittig. Das gilt auch für den politischen Status von Ost-Jerusalem. Auch besteht „Palästina“ De Facto aus zwei politischen Gebilden: dem von der Hamas regierten Gazastreifen und dem Westjordanland unter der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.

Israel lehnt eine Anerkennung Palästinas strikt ab. Das israelische Außenministerium rief nach der Ankündigung von Spanien, Irland und Norwegen seine Botschafter aus den Ländern zurück und warnte in einer Video-Botschaft auf X davor, einen Staat Palästina völkerrechtlich anzuerkennen. Eine solche „Belohnung für den Terrorismus“ werde eine Verhandlungslösung im Gaza-Krieg nur noch unwahrscheinlicher machen.

Wie ist die Position Deutschlands dazu?

Deutschland erkennt Palästina nicht als unabhängiges Land an. Im Jahr 2012 wurde Palästina – ähnlich wie der Vatikan – zu einem nicht-mitgliedschaftlichen Beobachterstaat bei den Vereinten Nationen aufgewertet, damals mit 138 Ja-Stimmen.

Innerhalb des UN-Systems gilt Palästina damit als „Staat“, aus Sicht Deutschlands dagegen existiert das Land Palästina so nicht – das Auswärtige Amt spricht in Bezug auf Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem von „palästinensischen Gebieten“. Aufgrund der eingeschränkten internationalen Anerkennung bezweifeln zumindest einige Länder, dass die Palästinenser in internationalen Organisationen auf gleiche Weise mitwirken können wie Mitglieder, deren Staatlichkeit nicht infrage steht.

Die US-Regierung hat zudem Sorge, dass der Kongress in Washington auf die Entscheidung der Vollversammlung negativ reagiert: US-Gesetze verbieten es der amerikanischen Regierung, UN-Organisationen zu finanzieren, wenn diese einer Gruppe Vollmitgliedschaft gewähren, „die nicht über die international anerkannten Merkmale der Staatlichkeit“ verfügen. Dies ist mit dem Beschluss vom Freitag Juristen zufolge zwar nicht gegeben, dennoch könnte bei einigen Abgeordneten in Washington die Forderung nach einem Finanzierungsstopp der Vereinten Nationen aufkommen.