Türkischstämmige Menschen in Deutschland haben klar für Erdogans Präsidialsystem gestimmt. Baden-Württembergs Landtagspräsidentin Aras kommt selbst aus der Türkei - und sucht nun nach Erklärungen.

Stuttgart - Für Landtagspräsidentin Muhterem Aras ist das mehrheitliche Votum der Deutsch-Türken für die Verfassungsreform in der Türkei auch ein Ausdruck mangelnder Integration. „Da haben wir tatsächlich noch harte Arbeit vor uns“, sagte sie am Dienstag im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Stuttgart. „Auf der anderen Seite müssen wir uns fragen: Warum haben wir es nicht geschafft, diese Menschen, die in der dritten Generation hier leben, für unsere Gesellschaft zu gewinnen?“

 

Möglicherweise hänge das mit mangelnder Wertschätzung zusammen. „Es gibt Studien, die belegen, dass Türkischstämmige sich als Bürger zweiter Klasse fühlen“, sagte Aras etwa mit Blick auf die Arbeits- und Wohnungssuche Türkischstämmiger in Deutschland.

Die Türken hatten am Sonntag nach Angaben der Wahlkommission mit gut 51 Prozent für die Verfassungsreform gestimmt, die dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan deutlich mehr Macht gibt. In Deutschland waren es zuvor rund 63 Prozent der Wahlberechtigten.

Mit Einführung der Todesstrafe wäre rote Linie überschritten

Aras sagte zu dem Votum der Deutsch-Türken: „Mir fehlt das Verständnis dafür. Denn diese Menschen profitieren ja von der freiheitlichen Grundordnung, die wir haben.“ Trotzdem dürfe man das Ergebnis nicht überbewerten. „In Deutschland leben rund 3 Millionen türkischstämmige Menschen. Davon sind etwa 1,5 Millionen wahlberechtigt. Und davon sind nur 750 000 wählen gegangen. Man tut den Türkischstämmigen Unrecht, wenn man sagt, die Mehrheit der Deutsch-Türken hat für die Verfassungsänderung gestimmt.“

Nach Aras’ Einschätzung legt es Erdogan auf die Abschaffung des parlamentarischen Systems in der Türkei an. „Der Staatspräsident kann künftig das Parlament nach Belieben auflösen. Er ist von dem Gebot der Neutralität entbunden. Das sind für mich zwei Dinge, die nicht hinnehmbar sind.“

Sollte Erdogan wie angekündigt die Todesstrafe wieder einführen, wäre eine rote Linie überschritten. „Dann wäre die Türkei meilenwert von der EU entfernt und auch von Beitrittsgesprächen. In dem Fall müsste man die Beitrittsverhandlungen auf Eis legen“, forderte Aras.