Der letzte sowjetische Außenminister und Ex-Präsident Georgiens ist am Montag im Alter von 86 Jahren gestorben.

Moskau - Eduard Schewardnadse sei ein würdiger, ja ein idealer Repräsentant des georgischen Volkes gewesen. Das sagt der sowjetische Altpräsident Michail Gorbatschow über seinen langjährigen Vertrauten und Außenminister, der gestern in Tiflis nach langer Krankheit im Alter von 86 Jahren gestorben ist. Allerdings: Eduard Ambrosowitsch Schewardnadse gerecht zu werden ist nicht einfach. Licht und Schatten liegen dicht beieinander. Selbst seine offiziellen Biografen kommen an den Widersprüchen nicht vorbei, in die sich Deutschlands Lieblingsgeorgier in seinem Leben verstrickte.

 

Neben Gorbatschow, dem Sinnbild der Perestroika, bemühte Schewardnadse sich als letzter Außenminister der Sowjetunion um Entspannung. Das trug ihm im Westen Achtung ein, in Deutschland wegen seines Engagements für die Wiedervereinigung sogar Verehrung. Zu Hause im Südkaukasus dagegen gilt er den einen als Schwächling und Russenknecht, anderen als Diktator, der öffentlich Wasser predigt, um heimlich Wein zu trinken. Denn die Familie des Kämpfers gegen Korruption und Vetternwirtschaft, wie Schewardnadse   sich gern selbst sah, riss, als dieser 1992 Staatschef Georgiens wurde, die Kontrolle über nahezu alle   profitablen Unternehmen an sich. In flammenden Reden pries Schewardnadse Demokratie, was ihn nicht hinderte, die Wahlergebnisse zu fälschen. Letztmalig im November 2003, was ihm politisch das Genick brach.

Schewardnadse wird am 25. Januar 1928 geboren. Er tritt 1948 der Kommunistischen Partei bei und sitzt schon 1950 als Abgeordneter im Parlament der Sowjetrepublik Georgien. 1965 wird er dort Minister für öffentliche Arbeiten, drei Jahre später Innenminister und General der Polizei. Zur ersten Dienstbesprechung lässt er seine Untergebenen mit hochgekrempelten Manschetten strammstehen. Wer mit einer teuren Uhr ertappt wird, muss sie abliefern. Hunderte sogenannte antisowjetische Elemente lässt er verhaften.

Moskau dankt es Schewardnadse mit einem Platz im Politbüro der KPdSU, der eigentlichen Regierung der Sowjetunion.   Dort analysiert er zunächst die konkurrierenden Seilschaften. Seine große Chance kommt 1985. Andrej Gromyko, mehr als 20 Jahre UdSSR-Außenminister, muss seinen Hut nehmen. Der Kalte Krieger passt nicht in das Konzept der Perestroika. Dass Gorbatschow den drögen Quereinsteiger aus den kaukasischen Bergen ernennt, registriert das Moskauer Establishment zunächst mit Kopfschütteln. „Schewy“, wie US-Außenminister James Baker ihn später nennen wird, beherrscht außer Russisch, das er noch immer mit Akzent und Fehlern spricht, keine Fremdsprachen und ist außenpolitisch ein unbeschriebenes Blatt.

Inzwischen zum Politbüro-Vollmitglied aufgestiegen, rührt Schewardnadse keinen Finger, als sein Nachfolger in Tiflis im April 1989 eine friedliche Demonstration für die Unabhängigkeit Georgiens mit Giftgas auflösen lässt. Für Georgien Grund zum endgültigen Bruch mit Moskau. Schewardnadse bläst zum geordneten Rückzug aus dem Ostblock, um wenigstens die Republiken der Union halten zu können. Dass der deutsche Kanzler Helmut Kohl und sein Außenminister Hans-Dietrich Genscher die Kompromissbereitschaft des Pragmatikers mit Deutschfreundlichkeit erklären, gehört zu den populärsten gesamtdeutschen Irrtümern. Während Georgiens Nachbarn Armenien und Aserbaidschan fast völlig ausgeblendet werden, ist Georgien fortan das Interesse deutscher Medien sicher.

Der Staatsrat des inzwischen unabhängigen Georgiens holt Schewardnadse im Januar 1992 als Krisenmanager zurück. Seine Ernennung zum amtierenden Präsidenten im März bringt den Bürgerkrieg, den er eigentlich verhindern soll, erst richtig auf Touren. Mit mehr als 10 000 Toten und einer halben Million Flüchtlinge.

  Zwar tritt Georgien 1994 der von Moskau dominierten UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS bei, nicht jedoch deren Verteidigungsbündnis. Schewardnadse treibt den Bau einer Pipeline voran, mit der westliche Firmen das Öl aus Aserbaidschan exportieren. Das bringt ihm bei den Wahlen 1995 mehr als 70 Prozent und den Beinamen „weißer Fuchs“. Lieben indes werden die Georgier ihn nie, wie mehrere Anschläge beweisen. Beim letzten Attentat 1998 überlebt er dank eines gepanzerten Mercedes – ein Geschenk Deutschlands.

Bei den Wahlen 2000 siegt er erneut. Doch internationale Beobachter sprechen inzwischen von Fälschungen. Korruption und Vetternwirtschaft sind rekordverdächtig und schrecken Investoren ab. Die Folge: Massenelend, das Hunderttausende zwingt, sich in Russland als Gastarbeiter zu verramschen. Dass Schewardnadse bei den Wahlen 2003 dennoch wagt, die Ergebnisse ein weiteres Mal zu frisieren, zeigt, dass er seine Gegner offenbar so unterschätzt, wie er die Einflussmöglichkeiten Russlands überschätzt, für das er bei allem Wenn und Aber das geringste aller möglichen Übel ist.