Der frühere Präsident George Bush senior erzielte Erfolge in der Außenpolitik. Ohne ihn gäbe es wohl keine deutsche Einheit. Dennoch regierte er nur vier Jahre. Ein Nachruf.

Houston - An wichtigen Personen der Zeitgeschichte, die einem spontan im Zusammenhang mit George Bush dem Älteren einfielen, ist beileibe kein Mangel: Richard Nixon, Ronald Reagan, Michail Gorbatschow, Helmut Kohl oder Saddam Hussein – aber Justin Bieber? Was könnte den früheren Präsidenten der Vereinigten Staaten mit dem kanadischen Teenie-Star verbinden.

 

Jenna Bush Hager, eine Enkelin Bushs und Reporterin der „Today Show“ im US-Fernsehen, konfrontierte ihren Großvater während eines ungewöhnlichen Interviews mit der Antwort: „Ihr seid beide Socken-Männer.“ Es war der heiterste Moment in einem emotionalen Gespräch, das NBC am 12. Juni 2012, dem Tag von Bushs 88. Geburtstag ausstrahlte. Dass er selbst ein Faible für bunte Socken habe, räumte der Gefragte lächelnd ein. Den unerwarteten Vergleich mit dem siebzig Jahre jüngeren Musiker, der diese Leidenschaft offenbar mit ihm teilt, konterte Bush humorvoll: „Welcher Bieb ...? Ich kenne den Bieber nicht. Ist er auch ein Socken-Mann?“

Zweite Amtszeit blieb Bush senior verwehrt

Als George Herbert Walker Bush auf dem Zenit seines politischen Schaffens stand, war „der Bieber“ noch nicht einmal geboren: Es waren Bushs Jahre im Weißen Haus von 1989 bis 1993. Er folgte auf seinen republikanischen Parteifreund Ronald Reagan, dem er zuvor acht Jahre lang ein treuer Vize-Präsident war. Bush selbst blieb eine zweite Amtszeit verwehrt. Der parteilose texanische Milliardär Ross Perot trat 1992 gegen ihn und den demokratischen Herausforderer Bill Clinton an.

Auch die schlechte Wirtschaftslage und die Überzeugung vieler Amerikaner, Bush habe den Bezug zum realen Leben im Land verloren, sprachen damals gegen ihn und bescherten dem Republikaner seine größte Niederlage. „Er sagt wirklich über niemanden ein schlechtes Wort – mit Ausnahme von Ross Perot“, schrieb die „New York Times“ als im Sommer 2012 die Dokumentation „41“ über das Leben des 41. amerikanischen Präsidenten vorgestellt wurde. Bush selbst sagt in dem Film die Worte: „Ich glaube er (Perot) hat mich die Wahl gekostet, ich mag ihn nicht und habe nichts weiter zu sagen.“

Bemerkenswerte Erfolge in Außen- und Sicherheitspolitik

Dabei hatte George Bush Senior in der Außen- und Sicherheitspolitik bemerkenswerte Erfolge vorzuweisen. In seiner Amtszeit ereignete sich Historisches wie der Mauerfall, die Wiedervereinigung, der Zerfall der Sowjetunion und das Ende des Kalten Krieges. Als einziger Politiker der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges sprach sich Bush von Anfang an für die Vereinigung des geteilten Deutschlands aus. Mitte 1990 überzeugte er den Kremlchef Gorbatschow, ein vereintes Deutschland der Nato beitreten zu lassen.

Bush wurde so zu einem der wichtigsten Architekten der deutschen Einheit und zu einem Makler der transatlantischen Beziehungen. Die nukleare Abrüstung der Großmächte brachte er durch die Unterzeichnung der Start-Verträge mit Gorbatschow und dessen Nachfolger Boris Jelzin auf den Weg.

Irak-Krieg fiel in die Amtszeit von Bush

Das diplomatische Handwerk hatte Bush schon vor seiner Zeit im Weißen Haus gelernt: Anfang der 1970er Jahre ging der frühere Navy-Pilot, Weltkriegsveteran und Yale-Absolvent in die Politik. Nach einigen Jahren als Kongressabgeordneter stieg er die politische Karriereleiter unter den Präsidenten Richard Nixon und Gerald Ford vor allem auf außenpolitischen Stufen hinauf: Er war Botschafter bei den Vereinten Nationen, US-Gesandter in China und Direktor des Auslandsgeheimdienstes CIA.

Als Bush 1979 seine erste Kandidatur für das Präsidentenamt vorbereitete, kam in Bagdad gerade Saddam Hussein an die Macht. Der irakische Diktator, der im ersten Krieg am Golf gegen den Iran (1980 bis 1988) noch von den Vereinigten Staaten unterstützt wurde, sollte im Januar 1991 zu ihrem erbittertem Kriegsgegner werden. Den USA und ihren Verbündeten gelang es im zweiten Golfkrieg zwar, die irakischen Besatzungstruppen aus dem Emirat Kuwait zu vertreiben. Die Operation Wüstensturm blieb aus der Sicht damaliger Kritiker von Bush jedoch unvollendet.

Sechs Kinder mit Ehefrau Barbara

Ihm wurde vorgeworfen, mit dem Feldzug nur seine eigenen finanziellen Interessen in der Ölindustrie verfolgt zu haben. Der Präsident hatte seine Armee nicht auf Bagdad vorgeschickt, in dem Glauben, der Diktator werde in der Folge vom eigenen Volk gestürzt. Dazu bedurfte es allerdings noch eines weiteren Krieges, angeführt von einem späteren US-Präsidenten namens Georg Walker Bush, einem der sechs Kinder von George und Barbara Bush.

Die Bedeutung und das positive Image der First Lady zeigt sich schon an den legendären Worten „Barbara und ich ...“, mit denen Bush senior stets seine Sätze zu beginnen pflegte. Der Junior folgte dem Vater 2001 ins Weiße Haus und durfte dort sogar zwei Amtszeiten lang regieren. „Zwei Präsidenten in einer Familie, das ist doch gut“, sagte Bush senior im Geburtstagsinterview mit seiner Enkelin.

Tandemsprung zum 85. Geburtstag

Während des Gesprächs, in dem sowohl der Reporterin als auch dem Gast einmal die Tränen kamen, berichtet George Bush von seinen Plänen, auch zu seinem 90. Geburtstag mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen. Damit hatte der älteste noch lebende US-Präsident bereits bei anderen runden Geburtstagen für großes Aufsehen gesorgt: „Nur weil man alt ist, muss man doch nicht in der Ecke herumsitzen“, hatte er nach dem Tandemsprung zum 85. Geburtstag gesagt. Wie sich das Älterwerden anfühlt, fragte die Enkelin den Großvater am Ende des Gesprächs: „Es ist okay, immer noch besser als die Alternative, nicht mehr hier zu sein.“

George Herbert Walker Bush ist am Samstag im Alter von 94 Jahren in seinem Haus in Houston verstorben.