Mit seiner Hammond-Orgel hat er den Sound der britischen Rock-Band geprägt. Jetzt ist Jon Lord gestorben.
London - Jon Lord blieb der Organist von Deep Purple, obwohl er schon 2002 aus der Band ausgeschieden war und seine Kumpels weiter auf Tournee gingen - bis heute. Er soll von seiner Familie umgeben gewesen sein, als er jetzt in einer Londoner Klinik an einem Krebsleiden starb. Er wurde 71 Jahre alt.
Als Organist trug Lord maßgeblich zum Erfolg von Deep Purple bei. Schon in den späten 60er Jahren, als er mit der „April Suite“ und dem darauf folgenden „Concerto for Group and Orchestra“ seiner Liebe zur klassischen Musik frönte und ein genreübergreifendes Werk schuf. Aufgenommen in der Londoner Royal Albert Hall mit dem Royal Philharmonic Orchestra.
Das Thema der Verbindung von Klassik und Rock nahm Lord immer wieder auf, bis hin zu seinen letzten Alben als Solomusiker. Doch das ganz große Ding gelang kurz darauf: „Deep Purple in Rock“ hieß der Meilenstein der Rockmusik, das Album, das wohl ganz wesentlich zur Entstehung dessen beigetragen hat, was von nun an Hardrock heißen sollte. Besonders die produktive Zusammenarbeit mit dem Gitarristen Ritchie Blackmore brachte Titel hervor, die bis heute Klassiker in ihrem Genre sind und so manche Party zum Kochen brachten: „Into the Fire“, „Black Night“, „Speed King“, „Child in Time“ und andere Titel.
Rockmusik war noch ein Abenteuer und sie waren die Vorhut
Der eher ruhige Lord und der Rabauke Ritchie Blackmore lieferten sich so manches legendäre Duell, das damals freilich immer wieder in eine eindrucksvolle musikalische Zusammenarbeit mündete. Deep Purple wurden wegweisend, die Rockmusik war noch ein Abenteuer und sie waren die Vorhut.
Von Anfang an wechselte Deep Purple immer wieder die Besetzung, doch Lord war seit der Bandgründung immer dabei. In den beiden Jahren darauf folgten „Fireball“ und „Machine Head“, wieder zwei großartige Alben, unter anderem mit dem Titel „Smoke on the Water“, dessen Riff wohl jeder E-Gitarrist irgendwann einmal stolz gesägt hat und das äußerst einprägsam zu den großen Motiven der Rockmusik und ihrem Mythos gehört.
Die Besetzung wechselte, die Band wurde eine Zeit lang aufgelöst und wieder gegründet, Blackmore stieg ein und aus – aber Lord blieb immer dabei. Ein ruhender Pol. Er war ja Deep Purple. Niemand konnte sich die Band ohne ihn vorstellen. Bis schließlich der Ausstieg im Jahr 2002 kam.
Er schüttelte neue Werke nur so aus dem Ärmel
Es muss eine Zeit gewesen sein, als ihn die Schaffenskraft ganz besonders überkam und er Klavierstücke, Streichquartette, Kirchenmusik, Requiems, kurzum Kammer- und Orchestermusik aller Art, nur so aus dem Ärmel schüttelte. Es stellte sich für ihn die Frage, ob die Realisierung neuer künstlerischer Projekte neben Deep Purple möglich sein würde. Ein bisschen kürzer treten, nicht mehr den endlosen Ablauf von Aufnahmen und Tourneen bedienen, das war es, was ihm vorschwebte. Doch darüber gab es unterschiedliche Vorstellungen in der Band.
„Sie gingen zwar freundlich mit meinem Anliegen um, hat er später in einem Interview einmal gesagt. „Aber sie ließen eindeutig erkennen, dass sie im selben Stil weitermachen wollten. So musste ich eine Entscheidung treffen, um mit mir selbst ins Reine zu kommen. Nur wenn ich mit mir selbst ehrlich bin, kann ich mit allen anderen auch ehrlich sein. Insofern war es eine reine musikalische Entscheidung, die Band zu verlassen. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit Persönlichem zu tun. Ich mag die Jungs immer noch sehr und werde das immer tun. Es sind Freunde fürs Leben“.
Mit dem eher unsteten Blackmore hat er über alle Ein- und Ausstiege hinweg immer den Kontakt gehalten und sie haben sich bis zuletzt sogar „richtige“ Briefe geschrieben. Er war auch im Umgang mit Journalisten ein höflicher Gentleman, dem der Erfolg nie zu Kopf gestiegen war. Nach verschiedenen Soloalben musste er vor etwa einem Jahr aber bekannt geben, dass er krebskrank sei. Auch im LKA-Longhorn war noch ein Konzert mit ihm angesetzt, bei dem er nicht mehr mitwirken konnte. Jetzt ist er als einer derer gestorben, die den Gefühlshaushalt einer ganzen Generation mit ihrer Musik geprägt haben.