Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wirbt bei seinem Besuch des Karrierecenters in Stuttgart für mehr Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund in der Bundeswehr und fordert, dass Interessenten beim Bewerbungsverfahren besser begleitet werden.

Berlin: Tobias Heimbach (toh)

In seiner „Zeitenwende“-Rede versprach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine „leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr“. Trotz Sondervermögen ist diese längst nicht in Sicht. Und neben Flugzeugen, die fliegen, und Schiffen, die in See stechen, braucht es vor allem mehr Personal. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat dies offenbar erkannt. Am Mittwoch besuchte er in Stuttgart erstmals eines der 16 Karrierecenter der Bundeswehr. Dabei nannte er den Personalbereich seine „Top-Priorität neben der Ausstattung der Bundeswehr“.

 

Dass dies eine schwere Aufgabe ist, belegen aktuelle Zahlen. Von Januar bis Ende Mai dieses Jahres bewarben sich 23  414 Frauen und Männer bei der Bundeswehr – sieben Prozent weniger als im gleichen Zeitraum im Jahr zuvor, berichtet der „Spiegel“.

Es fehlen Unteroffiziere

Mehr Menschen zur Truppe zu locken ist nicht einfach. Und Pistorius ist längst nicht der erste Minister, der das versucht. Vor der „Zeitenwende“ gab es bei der Bundeswehr bereits die „Trendwende Personal“, die im Jahr 2016 von Ursula von der Leyen (CDU) ausgerufen wurde. Das Ziel: Die Bundeswehr sollte bis 2025 auf 203  000 Soldaten wachsen. Inzwischen hat man eingesehen, dass man dieses Ziel nicht erfüllen kann, und sich bis 2031 Zeit gegeben. Doch selbst dieses Ziel gilt als ambitioniert, manchem sogar als unerfüllbar. Die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) sagte kürzlich: „Es ist sehr fraglich, ob mit den bisherigen Maßnahmen und Ansätzen das ausgegebene Ziel, die Bundeswehr bis 2031 auf 203 000 Soldatinnen und Soldaten zu vergrößern, erreicht werden kann.“ Sogar Pistorius hat Zweifel. Er sagte schon im Juni: „Ich wage keine Prognose, ob wir die Zahl erreichen können.“ Doch um die Zahl der Soldaten stabil zu halten, muss sich die Truppe anstrengen. 180  770 Soldaten hatte die Bundeswehr Ende Juni – das ist der niedrigste Stand seit 2018.

Die Not ist auch bei IT-Spezialisten groß

Doch was fehlt der Bundeswehr? Bei den Offizieren ist die Bewerbersituation noch sehr gut, die Bundeswehr kann die Besten auswählen. Bei den Mannschaftsdienstgraden, die etwa als Fußsoldaten oder Kraftfahrer dienen, gibt es Lücken. Besonders gravierend ist der Mangel bei Unteroffizieren und Feldwebeln für den Fachdienst, etwa Elektroniker oder Brandschützer. Groß ist die Not auch bei IT-Spezialisten, die man in Zeiten von Cyberkrieg dringend braucht. Doch ihnen winken in der Wirtschaft weitaus höhere Gehälter und bessere Karrierechancen.

Viele Bewerber haben mit Überforderung zu kämpfen, sagt Pistorius

Mitunter steht sich die Bundeswehr auch selbst im Weg. Wer sich bei der Bundeswehr bewirbt, wird nicht eng bei dem Prozess begleitet, sondern häufig allein gelassen. Ein Fakt, den auch Pistorius kritisiert. In Stuttgart sagte er: „Die Kernfragen sind: Sind wir schnell genug bei möglichen Bewerbern, wenn bei diesen ein erstes Interesse am Arbeitsplatz Bundeswehr entsteht? Halten wir die Zeit zwischen einem ersten Gespräch und einer Anstellung kurz genug?“

Ein wichtiger Punkt ist auch das Erwartungsmanagement hinsichtlich des Berufsalltags bei der Bundeswehr. Dazu gehöre in letzter Konsequenz auch, sein Leben aufs Spiel zu setzen, sagte Pistorius. Die Bundeswehr habe allen Grund zu zeigen, dass sie „keine Schlafwagen-Truppe“ sei. Mit „Mission-Impossible-Filmchen“ zu werben wie manch andere Armee sei falsch. Viele Bewerber hätten aber auch mit Überforderung zu kämpfen. In dem Zusammenhang verwies der Verteidigungsminister auf die hohe Abbrecherquote von 30 Prozent beim Heer.

Werbung für mehr Frauen

Pistorius betonte auch, dass man Gruppen ansprechen müsse, die bislang in der Truppe unterrepräsentiert seien. Man müsse „mehr Frauen und mehr Menschen mit Migrationshintergrund für die Bundeswehr gewinnen“. Pistorius sagte: „Wir haben viele, viele Millionen Menschen in Deutschland, die in zweiter, dritter Generation hier leben, die eine Migrationsgeschichte haben, die den deutschen Pass haben und die wir nicht gewinnen für die Bundeswehr, aus unterschiedlichen Gründen.“