Der Tod eines palästinensischen Häftlings löst Unruhen im Westjordanland aus. Die Rufe nach Aufklärung der Todesumstände werden lauter.

Jerusalem - Nahezu alle der 4500 palästinensischen Gefangenen in Israel haben am Sonntag nach dem Tod eines Mithäftlings die Nahrung verweigert. Der Dreißigjährige war am Vortag in seiner Zelle in Meggido gestorben – nach offizieller Darstellung an einem Herzinfarkt. Den könnten allerdings Misshandlungen während vorausgegangener Verhöre ausgelöst haben, vermutete die palästinensische Seite. Arafat Jaradat war erst kürzlich, am 18. Februar, in seinem Dorf bei Hebron verhaftet worden, weil er während der Demonstrationen gegen den Gazakrieg im November israelische Soldaten mit Steinen beworfen haben soll.

 

Sein Tod hat auch die Regierung Benjamin Netanjahu alarmiert. Sein Unterhändler Yitzhak Molcho übermittelte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die dringliche Depesche, er möge die aufgeheizte Lage beruhigen. Außerdem wies Netanjahu die Behörden an, die von Israel einbehaltenen Steuern für Januar den Autonomiebehörden auszuzahlen. Seit Wochen warnen Sicherheitsexperten, dass es nur einen Funken brauche, um angesichts der verzweifelten Situation in den besetzten Gebieten eine dritte Intifada zu entfachen. Vor allem Berichte über den kritischen Zustand von vier palästinensischen Häftlingen, die sich schon monatelang, im Fall von Samir Issawi (34) sogar mehr als 200 Tage, mit Unterbrechungen im Hungerstreik befinden, haben eine Protestwelle im gesamten Westjordanland ausgelöst. Alle vier wurden ohne konkreten Tatvorwurf, nur mit Verweis auf geheime Akten, inhaftiert. Der Tod von Jaradat hat die vorhandenen Spannungen noch verschärft.

Auch die Umstände des Todes sollen untersucht werden

Jedenfalls zeigte sich Israel um Aufklärung bemüht und ließ den Chef der palästinensischen forensischen Abteilung bei der Autopsie zu. Der Autonomieregierung in Ramallah reicht das nicht. Sie forderte eine Untersuchung des Falls unter UN-Aufsicht. Auch die israelische Bürgerrechtsorganisation BTselem verlangte, neben der Todesursache die Umstände zu ermitteln, insbesondere die angewandten Verhörmethoden durch den Inlandsgeheimdienst. Folter ist zwar in Israel per höchstrichterlichem Urteil untersagt, aber Schlafentzug sowie erzwungenes Verharren in schmerzhaften Positionen werden praktiziert, um Beschuldigte unter Druck zu setzen. Jaradat, der von früheren Verletzungen her Narben an Fuß und Bauch aufwies, soll in der Haft über Unwohlsein geklagt haben. Nach einer Untersuchung sei er jedoch für vernehmungsfähig erklärt worden.

Zwar hat Abbas erklärt, mit ihm sei keine neue Intifada zu machen, aber ein gewisser Grad an ziviler Unruhe dürfte der Autonomieführung gelegen kommen, um vor dem im März erwarteten Besuch von US-Präsident Barack Obama das Augenmerk auf das palästinensische Problem zu richten. Umgekehrt dürfte Netanjahu interessiert sein, es mit Gesten des guten Willens zu entschärfen. Wie schnell die Lage außer Kontrolle geraten kann, verdeutlichte ein Vorfall vom Samstag, bei dem bewaffnete Siedler im nördlichen Westjordanland auf demonstrierende Palästinenser geschossen und zwei verletzt haben sollen. Israel dürfe nicht länger die Augen vor der Gefahr verschließen, schrieb der Kommentator Alex Fishman: „Der Highway zur nächsten Intifada steht weit offen.“