Das Vertrauen seines Trainers spürt der Münchner Mario Götze nur in der deutschen Nationalmannschaft. Gegen England soll er am Samstag eingewechselt werden und gegen Italien von Beginn an spielen.

Berlin - Auch Thomas Müller ist in diesen Tagen in Berlin zu seinem Mitspieler befragt worden, zu Mario Götze, dem Mann, der so selten spielt und über den daher so oft gesprochen wird. Freundliche Worte hat Müller verloren und erzählt, dass Götze „keinen unglücklichen Eindruck“ mache und im Bayern-Training „noch immer den gleichen Witz“ versprühe. Dann hat er aber auch zwei Sätze folgen lassen, die zu den allgemeingültigen Gesetzen des Fußballs gehören: „Von vergangenen Taten kann man nicht leben. Es geht immer um das nächste Spiel.“

 

Mario Götze hat Deutschland im Sommer 2014 in Brasilien zum WM-Titel geschossen, er wird daher auch weit über sein Karriereende hinaus ein Fußballheld bleiben. In der Gegenwart aber ist er erst 23 Jahre alt und muss damit leben, so stark hinterfragt zu werden wie kein anderer Nationalspieler. Weil er dieses Tor gegen Argentinien geschossen hat, weil er über so geniale Fähigkeiten verfügt und niemand so genau weiß, warum sie nicht mehr zur Geltung kommen. Klar ist dafür allen, dass Mario Götze derzeit am Scheideweg seiner Karriere steht.

Superstar von der traurigen Gestalt

Sein Heldenstatus hat ihn nicht davor bewahrt, beim FC Bayern zu einem Superstar von der traurigen Gestalt zu verkümmern. Monatelang ist Götze wegen einer Adduktorenverletzung ausgefallen – und sitzt seit seiner Rückkehr seit Wochen auf der Ersatzbank. Achtmal stand er im Bayern-Kader und durfte nur einmal spielen, 54 Minuten lang gegen Werder Bremen. Weitere Minuten kamen nicht einmal im letzten Spiel beim 1. FC Köln hinzu, obwohl der Bayern-Trainer Pep Guardiola nach dem Sieg gegen Juventus Turin die große Rotation ausgerufen hatte.

Natürlich ist es nirgendwo schwerer als bei den Bayern, einen Platz in der Mannschaft zu bekommen, gerade in der Offensive, wo sich die geballte Weltklasse tummelt. „Wir haben sieben oder acht Spieler für dreieinhalb Plätze, das ist keine leichte Situation“, sagt Thomas Müller, neben Robert Lewandowski der einzige Angreifer, der unantastbar ist. Noch problematischer wird es dadurch, dass die Spielweise Götzes ganz offenkundig nicht mit den Vorstellungen Guardiolas harmoniert. Dabei hatte Götze 2013 seine Entscheidung, für 37 Millionen Euro von Dortmund nach München zu wechseln, ausgerechnet damit begründet, unter dem spanischen Wundertrainer arbeiten zu wollen. Doch hätte Guardiola, so heißt es bis heute, damals viel lieber den Brasilianer Neymar gehabt.

Zumindest in der deutschen Nationalmannschaft kann sich Götze des Rückhalts sicher sein, den er bei den Bayern vermisst. Hier hat er einen Trainer, der bedingungslos auf den begnadeten Edeltechniker setzt. Ein Freifahrtschein zur Europameisterschaft hat Joachim Löw ihm bereits ausgestellt und in den vergangenen Tagen ausgiebig von der Klasse des Münchners geschwärmt: „Es lohnt sich immer, Mario zu unterstützen. Er kann Dinge, die können andere nicht.“

Joachim Löw gibt Ratschläge

Genauso ausgiebig hat sich der Bundestrainer mit Götze unterhalten. Von „einem längeren Gespräch“ am Donnerstagabend berichtet Löw, in dem es auch um die Planungen für die beiden Länderspiele an diesem Samstag gegen England und am Dienstag gegen Italien ging. In Berlin soll Götze zumindest zu einem Teileinsatz kommen; 90 Spielminuten sind danach in München vorgesehen. „Er braucht Spielpraxis, um körperliche Defizite aufzuarbeiten“, sagt Löw: „Wir müssen ihm ein Stückweit helfen.“

Der weitaus größere Teil des Gesprächs habe sich aber mit Götzes Zukunft in der neuen Saison beschäftigt, „das war das zentrale Thema“. Längst schießen die Spekulationen ins Kraut. Dass ihn Jürgen Klopp nach Liverpool holt, dass Dortmund an einer Rückholaktion arbeitet – das sind nur zwei mögliche Varianten. Oder doch ein weiterer Versuch, sich bei den Bayern durchzusetzen, bei denen Carlo Ancelotti zur neuen Saison das Erbe von Pep Guardiola antritt? „Das Erste und Wichtigste, was Mario jetzt tun sollte, ist ein Gespräch mit dem künftigen Trainer zu führen“, sagt Löw und weiß: Ein weiteres verlorenes Jahr sollte sich Götze nicht leisten. Auch wenn er für immer WM-Held bleibt.