Bei der EM war Per Mertesacker nur Ersatzspieler – ohne Einsatz. Jetzt will er seinen Platz in der Nationalmannschaft zurück erobern.

Hannover - Die Tipps von Per Mertesacker sind in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft wieder sehr gefragt – zumindest wenn es um das Thema Land und Leute geht. In Barsinghausen vor den Toren Hannovers, genau dort also, wo der lange Innenverteidiger aufgewachsen ist, hat sich die DFB-Auswahl niedergelassen, um sich auf das erste WM-Qualifikationsspiel am Freitag gegen die Färöer vorzubereiten. Bei der Freizeitgestaltung ist Mertesacker daher ein gefragter Ansprechpartner und hat sein Wissen auch gerne weitergegeben. Gleich nach der Ankunft legte er den Mitspielern die Besichtigung des Marktplatzes ans Herz und die vielen schönen Radwege im Umland.

 

Auf dem Spielfeld sind Mertesackers Erfahrungen zuletzt weniger gefragt gewesen. Ersatzspieler war in der Nationalmannschaft zuletzt seine Rolle, keine Minute hatte er bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine spielen dürfen. In der alten Heimat unternimmt der Legionär des FC Arsenal nun so etwas wie einen Neuanfang und will den Platz in der deutschen Innenverteidigung zurückerobern, den er in den vergangenen Monaten an den Dortmunder Mats Hummels und an Holger Badstuber vom FC Bayern verloren hat.

Die Rolle auf der Bank hervorragend angenommen

Es ist eine ganz neue Erfahrung gewesen, die Mertesacker bei der EM gemacht hat. Bei drei Turnieren war er zuvor unumstrittener Stammspieler gewesen, hatte im Gegensatz zu vielen anderen Nationalspielern die komplette Vorbereitung absolviert, fühlte sich nach langer Verletzungspause wieder topfit – „und dann bekommt man gesagt, dass man nicht spielen darf“. Mertesacker hat sich nie öffentlich beschwert und wurde für seinen Umgang mit der neuen Situation in den höchsten Tönen gelobt. Der Verteidiger habe, sagt der Bundestrainer Joachim Löw, „seine Rolle bei der EM hervorragend angenommen“, obwohl jeder spüren konnte, dass es „in ihm gebrodelt hat“, wie der Teammanager Oliver Bierhoff die Aussage des Trainers ergänzt.

Eine harte, eine bittere Zeit waren die Wochen in Osteuropa, das mag auch der 81-fache Nationalspieler nicht bestreiten. Inzwischen aber empfindet er die EM vor allem als eine lehrreiche Zeit, in der er „ganz besondere Erfahrungen“ gesammelt habe. „Ich habe gemerkt, wie sich zuvor die anderen gefühlt haben, wenn sie nicht spielen durften; ich habe versucht, das Team bestmöglich zu unterstützen, und dabei festgestellt, dass ich dazu auch in der Lage bin.“ Und: „Ich habe aus dieser Situation viel Motivation gezogen und die Enttäuschung in positive Energie umgemünzt.“

Ein guter Anfang beim FC Arsenal

Konkret bedeutet dies, dass Mertesacker nach der Rückkehr von der EM so hart wie selten zuvor an sich gearbeitet hat. In der Vorbereitung auf die neue Saison habe er sich „ganz besonders dolle angestrengt“, da er fürchten musste, aufgrund der fehlenden Spielpraxis auch beim FC Arsenal „durchgereicht zu werden“. Die Sorge erwies sich als unbegründet, die Mühen haben sich gelohnt: In den ersten drei Saisonspielen der Premier League stand der 27-Jährige jeweils in der Startformation und hat dazu beigetragen, dass Arsenal noch keinen Gegentreffer kassiert hat. Am Wochenende feierte das neu formierte Team einen 2:0-Sieg beim FC Liverpool, zu dem Mertesackers Nationalmannschaftskollege Lukas Podolski einen Treffer beisteuerte. „Das ist ein guter Anfang, über den ich sehr glücklich bin“, sagt der Verteidiger.

Mit „gewissen Hoffnungen“ ist Mertesacker nun zur Nationalmannschaft gereist, nachdem er in Absprache mit dem Bundestrainer im ersten Länderspiel dieser Saison gegen Argentinien (1:3) noch pausiert hatte, um sich ganz auf den Verein zu konzentrieren. Von einem „guten Konkurrenzkampf“ in der Innenverteidigung spricht Joachim Löw, „die nächsten Monate werden zeigen, in welcher Formation wir spielen“. Die Partie gegen die Färöer wird einen ersten Fingerzeig geben.

Die Konkurrenten heißen Badstuber und Hummels

Hummels und Badstuber sind auch weiterhin die Konkurrenten. Beide hatten bei der EM stark begonnen – vor allem Hummels war dann aber maßgeblich daran beteiligt, dass das Halbfinale gegen Italien verloren ging. Gut möglich, dass Mertesacker im ersten WM-Qualifikationsspiel trotzdem noch einmal zuschauen muss, da es sich Löw gut überlegen wird, ob er Hummels herausnimmt und ihm damit gewissermaßen demonstrativ das EM-Aus anlastet. Mertesacker könnte es verschmerzen, noch einmal draußen zu sitzen. Die größte Enttäuschung liegt hinter ihm, und bis zum nächsten Turnier bleiben fast zwei Jahre.