Neue Eskalationsstufe im Dauerstreit zwischen Deutschland und der Türkei: Jetzt dürfen deutsche Abgeordnete noch nicht einmal einen Nato-Stützpunkt in der Türkei besuchen. Die Absage könnte eine Retourkutsche von Präsident Erdogan sein.

Berlin - Die Türkei hat Bundestagsabgeordneten einen Besuch auf dem Nato-Stützpunkt im türkischen Konya untersagt und damit die Krise in den Beziehungen beider Länder weiter verschärft. Das Auswärtige Amt teilte am Freitag sieben Mitgliedern des Verteidigungsausschusses mit, dass die türkische Regierung um eine Verschiebung ihrer für Montag geplanten Reise gebeten habe - ohne einen neuen Termin zu nennen. Als Begründung gab Ankara den derzeitigen Zustand der Beziehungen an. Die Nato will jetzt zwischen beiden Seiten vermitteln.

 

Aus dem Bundestag kamen empörte Reaktionen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann drohte mit einem Abzug der deutschen Soldaten: „Ohne Besuchsmöglichkeit für den Bundestag kann die Bundeswehr nicht in Konya bleiben“, sagte er. Die Linke-Abgeordnete Sevim Dagdelen forderte sogar, den Bundeswehreinsatz in Konya sofort abzubrechen.

Die Union wies solche Forderungen dagegen als „kurzsichtig und gefährlich“ zurück. „Sie spielen Präsident Erdogans Eskalationstaktik genau in die Hände“, erklärten die Außen- und Sicherheitspolitiker Henning Otte und Jürgen Hardt.

Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour sprach von einer „weiteren Schau von Respektlosigkeit“ gegenüber den parlamentarischen Gepflogenheiten in anderen Ländern.

Die Absage erfolgte weniger als eine Woche nach dem Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Hamburg. Die Bundesregierung hatte dem Staatsoberhaupt verboten, um den G20-Gipfel herum zu seinen Landsleuten in Deutschland zu sprechen. Das jetzige Besuchsverbot könnte also eine Retourkutsche sein.

In Konya sind 10 bis 15 deutsche Soldaten stationiert, die sich am Einsatz von „Awacs“-Aufklärungsflugzeugen der Nato im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) beteiligen. Wegen eines Besuchsverbots für Abgeordnete auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik hatte die Bundesregierung im Juni entschieden, die dort stationierten 260 Soldaten mit ihren „Tornado“-Aufklärungsflugzeugen abzuziehen. Die Verlegung nach Jordanien hat bereits begonnen.

Anders als Incirlik ist Konya ein Nato-Stützpunkt

Anders als Incirlik ist Konya ein Nato-Stützpunkt. Die Türkei hatte Anfang Juni bei einem Besuch von Außenminister Sigmar Gabriel ausdrücklich zugesagt, dass die Abgeordneten die deutschen Soldaten in Konya besuchen dürfen. Daraufhin wurde der Besuch von sieben Abgeordneten für den 17. Juli geplant. Sie wollten mit einer Maschine der Bundeswehr von Berlin direkt nach Konya fliegen. Obwohl die Luftwaffenbasis dort ein Nato-Stützpunkt ist, handelt es sich um türkisches Territorium. Die türkische Regierung kann den Besuch daher untersagen.

Der Streit wird damit aber zu einem Fall für die Nato. Die „Awacs“-Besatzungen bestehen zu einem Drittel aus deutschen Soldaten. Ohne sie könnte der Einsatz nur schwer fortgesetzt werden. Deswegen schaltete sich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg als Vermittler ein. „Der Generalsekretär ist wegen der Angelegenheit in Kontakt mit den Verantwortlichen der türkischen und deutschen Regierung“, sagte der stellvertretende Bündnissprecher Piers Cazalet am Freitagabend.

Seinen Angaben zufolge geht es bei dem Engagement Stoltenbergs vor allem darum, Auswirkungen auf Einsätze der Nato zu verhindern. Der türkische Stützpunkt Konya sei für das Bündnis von zentraler Bedeutung, um Operationen zur Unterstützung der internationalen Koalition gegen die IS-Terrormiliz ausführen zu können, erklärte Cazalet.

Der Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich, pochte darauf, dass Bundestagsabgeordnete das Recht haben müssten, die Soldaten im Einsatz zu besuchen. „Unter diesen Bedingungen, sehe ich keine Möglichkeit, das Mandat zu verlängern“, drohte er. Der Bundestag stimmt Ende des Jahres über eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Kampf gegen die IS-Terrororganisation ab.