Hart gegen Russland, verständnisvoll gegenüber Donald Trump. Der Niederländer positioniert sich deutlich für den Nato-Posten.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Ein Aprilscherz entscheidet womöglich das Rennen um die Nachfolge des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg. Es sei „nicht wahr“, dass sie den Posten übernehmen werde, betonte Estlands Regierungschefin Kaja Kallas, die als aussichtsreiche Kandidatin gehandelt wurde. Sie reagierte damit auf Glückwünsche des renommierten britischen Historikers Timothy Garton Ash, der auf einen entsprechenden Tweet im Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter) reingefallen war.

 

Wichtiger noch als dieses Dementi aber ist, was Kallas dann am Dienstag nur Stunden vor dem Nato-Gipfel in Brüssel selbst auf der Plattform postete: „Für eine starke Nato müssen wir einen klaren Blick auf Russland richten, die Abschreckung und Verteidigungsausgaben erhöhen, die Mitgliedschaft der Ukraine und das geografische Gleichgewicht unterstützen.“ Sie habe diese Punkte mit Mark Rutte besprochen und er bekenne sich zu diesen Prioritäten. Dann folgt der entscheidende Satz: „Estland kann ihn für den Posten des Nato-Generalsekretärs unterstützen.“ Damit hat sie den scheidenden niederländischen Premier auf der Poleposition positioniert.

Ruttes angekündigter Rücktritt als Premier

Rutte selbst hatte schon vor einigen Monaten sein Interesse an dem Posten bekundet. Damals war der 57-Jährige bereits auf Arbeitssuche, denn er hatte im vergangenen Sommer seinen Rücktritt als Premier angekündigt und befindet sich seitdem auf einer Art persönlicher Werbetour in Sachen Nato-Generalsekretär.

Anfangs noch skeptisch beäugt, hat er mit seinem klaren Kurs in Sachen Russland die baltischen Staaten auf seine Seite gezogen. Noch am Dienstag besuchte Rutte die Nato-Basis im litauischen Rukla, auf der auch niederländische Nato-Soldaten stationiert sind. Präsident Gitanas Nauseda fand danach lobende Worte für seinen Gast. Der Niederländer gehöre zu den Politikern, die die Bedrohung durch Russland schon früh erkannten und der seine Haltung gegenüber Russland radikal veränderte, betonte Nauseda nach einem Treffen mit Rutte in Vilnius. Auch sei der 57-Jährige besonders sensibel und verständnisvoll gegenüber den Bedrohungen der Nato-Ostflanke.

Die Niederlande liefern Kampfjets an die Ukraine

Doch Rutte belässt es nicht bei bloßen Worten. Die Niederlande gehören zu den Ländern, die der Ukraine F-16-Kampfjets liefern werden und seit Monaten Piloten für den Einsatz ausbilden. In diesem Zusammenhang werde sein Land auch die Verteidigungsausgaben deutlich erhöhen, betonte der Noch-Premier etwa auf dem letzten Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Im selben Atemzug forderte er, dass auch die anderen Nato-Staaten deutlich mehr Geld in den Aufbau und die Ausrüstung ihrer Armeen investieren müssten.

Wenn es um die Ausgaben für die Nato geht, zeigt Mark Rutte sogar großes Verständnis für den Ex-US-Präsidenten Donald Trump. Der wirft den Europäern vor, zu wenig Geld für die Verteidigung auszugeben. Das passt auch zu der Tatsache, dass Rutte, im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Regierungschefs, während dessen Amtszeit ein gutes Verhältnis zu Trump hatte. Er hat ihn zweimal im Washington besucht – ungewöhnlich für den Vertreter eines kleinen Landes. Im Sommer 2019 sagte Trump über Rutte: „Wir sind Freunde geworden in den vergangenen Jahren.“ Der Niederländer betonte damals gegenüber den Kritikern auch immer die Chancen der Präsidentschaft von Trump. Dem Sender CNBC sagte er einst: „Aber Leute, Trump ist Präsident. Nutzt seine Präsidentschaft, die internationalen Institutionen zu reformieren.“ Da eine Wiederwahl Trumps im Nato-Hauptquartier als durchaus wahrscheinlich angesehen wird, erschiene sein guter Draht ins Weiße Haus als großer Pluspunkt.

Wieder blockiert Ungarn eine Nato-Entscheidung

Mark Ruttes Weg an die politische Spitze der Nato führt allerdings nur über die Zustimmung aller 32 Mitglieder. Im Moment stellt sich aber Ungarn quer. Premierminister Viktor Orban ist offensichtlich noch immer verärgert, dass sich der Niederländer immer wieder sehr deutlich zur Aushöhlung des Rechtsstaates und der Menschenrechte durch die Regierung in Budapest geäußert hat. „Wir können natürlich nicht die Wahl eines Mannes zum Nato-Generalsekretär unterstützen, der Ungarn zuvor auf die Knie zwingen wollte“, sagte Außenminister Peter Szijjártó. Rutte hatte 2021 in ähnlichen Worten ein ungarisches Gesetz kritisiert, das Jugendliche vor Homosexualität „schützen“ sollte.

In den niederländischen Medien wurde Mark Rutte während seiner fast 14 Jahre dauernden Amtszeit allerdings immer wieder als „Deal-Maker“ bezeichnet. „Rutte war besonders gut darin, Probleme zu lösen, Koalitionen zu schmieden, wenn es Gegenwind gab“, urteile Sarah de Lange, Politikwissenschaftlerin an der Uni Amsterdam, nach dessen Rücktrittsankündigung. Diese Fähigkeiten dürften Mark Rutte auch in diesem Fall sehr nützlich sein.