Die Naturfreunde verknüpfen Erholung mit kultureller Bildung – das hat sie am Sonntag unter anderem auf den Joseph-Süß-Oppenheimer-Platz geführt.

Stuttgart - Als Abschluss ihres zweiwöchigen Ferienprogramms „Urlaub zu Hause“ hat die Radgruppe der Naturfreunde Stuttgart am Sonntag eine Ausfahrt mit historischem Fokus unternommen. Es ging um einen antisemitisch motivierten Mord, der auf das Engste mit Stuttgart verbunden ist – und um die Erinnerung daran, die teils nur stiefmütterlich gepflegt wird.

 

Dass die Radgruppe der Naturfreunde Stuttgart sich das zum Thema macht, ist keineswegs so ungewöhnlich, wie es zunächst vielleicht erscheinen mag. Nicht, wenn man mit Peter Pipiorke von der Radgruppe der Stuttgarter Naturfreunde darüber spricht. Und auch nicht, wenn man weiß, dass die Naturfreunde Stuttgart und damit auch die daraus hervorgegangene Naturfreunde-Radgruppe ihre historischen Wurzeln in der Arbeiterbewegung haben und seit jeher körperliche Bewegung, Erholung und Naturschutz mit kultureller und politischer Bildung verknüpfen.

„Die Leute sollen etwas über die Geschichte wissen“

Den thematischen Fokus der Radtour bildet die Lebensgeschichte des jüdischen Hoffaktors Joseph Süß Oppenheimer, der einst Opfer einer staatlichen Diffamierungskampagne wurde und schließlich 1738 hingerichtet wurde. Seine Leiche wurde sechs Jahre lang zur Schau gestellt. „Den Namen Süß Oppenheimer haben viele Stuttgarter schon einmal gehört. Details kennen aber die wenigsten“, sagt Pipiorke, der die Gruppe und auch die Ausfahrt leitet. Am Sonntag um 13.30 Uhr setzen sich knapp 20 Radlerinnen und Radler vom Feuersee aus in Bewegung. Pipiorke hat früher als Elektrotechniker gearbeitet. „Ich möchte, dass die Leute etwas über die Geschichte ihrer eigenen Umgebung wissen“, sagt er. Und so führt seine Oppenheimer-Tour zu den verschiedenen Stationen Oppenheimers, die mit seinem Leben und Sterben zu tun haben. Es geht quer durch Stuttgart, vom Westen bis ins Naturfreunde-Haus am Killesberg oberhalb des Wartbergs. Das Komplizierte dabei: Einige Gebäude, von denen die Rede ist, existieren heute nicht mehr. Zum Teil nicht mal mehr die Straßen. Dennoch: der physische Ortsbezug macht die Geschichte plastischer als die bloße Lektüre. Das gilt auch für den 1998 so benannten Joseph-Süß-Oppenheimer-Platz zwischen Neuer Brücke und Kaufhof, der allerdings ein Schattendasein führt.