Im Zuge des Abbruchs vieler berühmter Bauwerke fahren die Firmen das anfallende Material zu einem Tübinger Unternehmen, um es zu recyceln.
22.09.2010 - 17:56 Uhr
Tübingen - Und das hier ist der Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs", sagt Manuel Rongen. Bei diesen Worten wird mancher Betrachter kurz innehalten. Am Freitag waren zunächst zehn Lastwagen im Natursteinpark Tübingen eingetroffen. Die Lkws lieferten nach Form und Größe sortierte Steine des Bonatz-Baus an. Metall und Beton war von den Abbruchfirmen entfernt worden. Von Schotter kann keine Rede sein, die oft durchaus in Quaderform befindlichen Steine haben eher stattliche Größen. "Sie dürften zwischen 50 und 100 Kilogramm schwer sein", schätzt Rongen, der Geschäftsführer des Natursteinparks, "manche wiegen bestimmt auch 500 Kilogramm".
Der Hauptbahnhof mit seinen Flügeln ist zwischen 1914 und 1927 aus Crailsheimer Muschelkalk erbaut worden. In Tübingen kratzt Rongen an einem gebrochenen Stein. Er zeigt sich an dieser Stelle graugelb oder ocker, sonst herrschen Grautöne vor. "Dreck und Patina haben dem Bahnhof die aktuelle Farbe gegeben", sagt Rongen. Der Natursteinpark Tübingen breitet sich seit 1992 auf dem Geländes des französischen Munitionslagers auf dem Schindhau aus. Kurz zuvor hatte die französische Garnison die Stadt verlassen. Wer an der Seite von Geschäftsführer Rongen durch das 20 Hektar umfassende Gelände läuft, sieht mit etwas Fantasie viel mehr als 40.000 Tonnen an alten Steinen vor sich.
"Hier sind Steine des Karlsruher Bahnhofs", lässt er wissen, "dort welche der Marienbrücke in Dresden." Vor knapp zehn Jahren fiel dieses Material an, als die Elbbrücke für ICE-Züge umgebaut wurde. "Das hier sind Steine des alten Neckarstadions", führt Rongen einige Meter weiter aus. Sie stammen aus einem Umbau, als die Fußballarena längst Daimler-Stadion hieß. "Mancher VfB-Fan hat sich schon den einen oder anderen Stein mitgenommen", ist von dem Fachmann zu hören.
Für 30 Euro den Nordflügel im Garten
Laut Rongen ist dieser Natursteinpark der größte seiner Art in Deutschland. Das Unternehmen spricht von Natursteinrecycling. 14 Mitarbeiter machen es sich zur Aufgabe, Natursteine aus Abbruch, Tiefbau und Rückbau einer sinnvollen Weiterverwertung zuzuführen. "Es kann doch nicht sein, dass in Zeiten von Dosenpfand und Ökosteuer wertvolle Natursteine auf Deponien geworfen werden", lautet die Meinung Rongens. Vor einigen Jahrzehnten hatten diese Steine ihren Wert bei Bauherren wie Architekten verloren. Beton herrschte vor. Der große Teil aller Steinbrüche wurde aufgegeben.
In Tübingen sind gebrauchte und antike Natursteine zu haben. "Gärtner sind unsere Kunden, Privatleute, Städte und Gemeinden und auch der Denkmalschutz", führt Manuel Rongen aus. Verkauft wird zu Preisen von 30 bis 120 Euro je Tonne. Mengenbegrenzungen gibt es freilich nicht. Mancher Besucher nimmt nur ein paar Brocken für sein Steingärtle mit.
Ob er es mit sich vereinbaren könne, nun auch Steine des Stuttgarter Bahnhofs zu lagern, ist Rongen schon gefragt worden. "Schlimmer wäre es doch, wenn die Steine auf Deponien geworfen oder gar zu Schotter verarbeitet würden", entgegnet er diesen Stuttgart-21-Kritikern. Er hofft jedenfalls, "dass die Steine des Hauptbahnhofs wieder einen schönen Platz finden".
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