Ruhe vor einem neuen Sturm? Die aktuellen Zahlen zu den Investitionen griechischer Firmen sehen nicht gut aus. Zudem verlagern immer mehr von ihnen wegen der unsicheren Verhältnisse in der Heimat ihren Sitz ins Ausland.

Athen - Nichts braucht die krisengeplagte Wirtschaft Griechenlands mehr als Investitionen, wenn sie die mittlerweile sechsjährige Rezession hinter sich lassen will. Aber im zu Ende gehenden Jahr haben die börsennotierten griechischen Unternehmen nur noch magere 300 Millionen Euro investiert, gegenüber 2,5 Milliarden im Vorjahr. Bedenklicher noch: immer mehr Firmen gehen ins Ausland.

 

Der Exodus vernichtet Arbeitsplätze und gefährdet die wirtschaftliche Erholung des Krisenlandes. Seit Beginn der griechischen Finanzkrise Ende 2009 haben bereits mehrere große Unternehmen ihren Sitz ins Ausland verlagert, etwa der Getränkeabfüller Coca-Cola Hellenic Bottling, der in die Schweiz übersiedelte, das Montanunternehmen Viohalko, das nach Belgien ging, oder der Molkereikonzern Fage, der sein Hauptquartier nach Luxemburg verlegte. Vom Weggang aus Griechenland versprachen sich diese Großunternehmen vor allem niedrigere Steuern und einen besseren Zugang zu den Kapitalmärkten. Seit dem Wahlsieg des Linkspolitikers Alexis Tsipras kehren nun aber auch vermehrt kleine und mittlere Unternehmen Griechenland den Rücken.

Vor allem die dreiwöchige Schließung der Banken und der Börse im Juli sowie die Einführung der Kapitalkontrollen haben viele Firmen in die Flucht geschlagen. Nach Angaben des Präsidenten des griechischen Einzelhandelsverbandes ESEE, Vassilis Korkidis, haben seit dem Sommer über 60 000 griechische Unternehmen eine Steuernummer im benachbarten Bulgarien beantragt und planen, ihre Geschäfte ganz oder teilweise dorthin zu verlegen. Weitere 10 000 griechische Unternehmen sind in diesem Jahr bereits nach Zypern umgezogen oder planen die Verlagerung ihres Firmensitzes auf die Insel.

Bulgarien und Zypern locken mit niedrigen Steuern

Die Gründe für den Exodus sind vielfältig. Die im Sommer eingeführten Kapitalkontrollen strangulieren vor allem Unternehmen, die im Außenhandel tätig sind. Auch die Steuerlast steigt ständig. Während die Regierung Tsipras 2016 die Besteuerung der Unternehmensgewinne von 26 auf 29 Prozent erhöht hat, beträgt der Satz in Zypern nur 12,5 Prozent. Auch Bulgarien und Albanien locken mit niedrigeren Steuern, zudem ist das Lohnniveau viel niedriger. Im kommenden Jahr will die griechische Regierung auch die Arbeitgeberanteile der Sozialversicherung weiter anheben.

Das dürfte weitere Firmen bewegen, ins Ausland zu gehen, denn: „Griechenland ist bei den Lohnnebenkosten schon jetzt eines der teuersten Länder Europas“, klagt Theodoros Fessas, der Präsident des griechischen Industrieverbandes SEV. „Das beeinträchtigt unsere Wettbewerbsfähigkeit und fördert letztlich die Schwarzarbeit“, sagt der Verbandschef. Aber es sind nicht nur steigende Kosten, die viele griechische Firmen ins Ausland treiben und ausländische Investoren abschrecken. Athanassios Kelemis, Geschäftsführer der deutsch-griechischen Handelskammer in Athen, nennt die mangelnde Rechtssicherheit als weiteren Grund: „Die Gerichtsverfahren dauern zu lange, die Kosten sind zu hoch“, sagt Kelemis.

Weitere Probleme sind die griechische Bürokratie, die komplizierten Genehmigungsverfahren und die Steuerunsicherheit: „In den vergangenen vier Jahren hatten wir 22 Änderungen bei den Steuergesetzen“, klagt Kelemis. Das mache es den Unternehmen fast unmöglich, eine mehrjährige Finanzplanung aufzustellen. Dass sich an den Widrigkeiten rasch etwas ändert, ist nicht zu erwarten. Die Kapitalkontrollen dürften frühestens in der zweiten Jahreshälfte aufgehoben werden.