Skispringen in der Region? Wenn genug Schnee fällt, ist das kein Problem. Doch wer hat die größte Schanze?

Neidlingen - Skispringen kann nun wahrlich nicht als Volkssport bezeichnet werden. Dennoch gibt es für Sportler, die auf V-Stil und Telemarkaufsprung spezialisiert sind, in der Region drei Sportstätten. Die kleinste Sprungschanze am Bläsiberg in Wiesensteig (Kreis Göppingen) ist die am meisten genutzte. Sie bietet vor allem Nachwuchsspringern Trainingsmöglichkeiten – auch im Sommer als Mattenschanze. Die größte Sprungschanze in der Region ist die Lautertalschanze in Spiegelberg (Rems-Murr-Kreis) vor der Edelwangschanze in Neidlingen (Kreis Esslingen).

 

Vom Bakken der Anlage in Spiegelberg ging der größte Satz 41,5 Meter weit. Doch das letzte Springen liegt schon elf Jahre zurück. Der Spiegelberger Hans Schwenzer vom Schwäbischen Skiverband erinnert sich an den Wettbewerb, bei dem sich im Jahr 2002 am Auslauf 3000 Zuschauer eingefunden hatten. Damals sei die Euphorie für die Sportart riesengroß gewesen, erinnert sich Schwenzer, „weil Sven Hannawald bei der Vierschanzentournee als erster Springer alle vier Wettbewerbe gewonnen hatte“.

Mit dem Abfahrtsski über den Schanzentisch

Auf der Neidlinger Edelwangschanze haben sich vor gut drei Jahren letztmals die Weitenjäger gemessen. Allerdings bevorzugten sie den Alpinstil und rasten hauptsächlich mit Abfahrtsski über den Schanzentisch. Das ist nicht immer so gewesen, denn wie auch die Spiegelberger Naturschanze – als Anlauf wird die Beschaffenheit des Geländes genutzt – wurde wie die Neidlinger Sportstätte bereits 1951 gebaut.

Damals hatten die Leichtathleten des TV Neidlingen eine Skiabteilung gegründet, weil ihnen im Winter langweilig war. Sie beschlossen kurz nach der Abteilungsgründung, eine Skisprungschanze im Gewann Edelwang zu bauen. Mit der Planung wurde der Kirchheimer Bauingenieur Hansrudi Wäschle betraut. Am 28. Juli 1951 legte er eine Zeichnung vor, wie er sich Anlauf, Schanzentisch, Aufsprung und Auslauf vorstellte. Auf der in Eigenleistung gebauten Anlage sollte nach Wäschles Berechnung, „wer gut springt“, bis zu 35 Meter erreichen. Auch ungeübten Sportlern stellte er in Aussicht, unbeschadet zu landen: „Es dürfte keine Gefahr für einen Anfänger sein, über die Schanze zu fahren (nicht springen), da er 18 Meter erreicht.“

Novizen stürzten sich beim Eröffnungsspringen am 3. Februar 1952 freilich nicht in die Anlaufspur. Der Chronik zufolge war es der Geislinger Bernhard Lindenlaub, dem für den SC Wiesensteig mit 29 Metern der „weiteste Sprung, zugleich in der besten Haltung“, glückte. Vom Gastgeber TV Neidlingen waren zehn Springer dabei. In den folgenden Jahren fand das Springen einen festen Platz im Veranstaltungskalender des Schwäbischen Skiverbands.

Im Spannungsfeld zwischen Kirschwasser und Sport

Allerdings war es 1955 ausgerechnet ein klares Destillat, welches das Verhältnis zwischen dem Verband und dem TV Neidlingen trübte. Denn der Ausrichter hatte die Veranstaltung „Kirschwasserspringen“ genannt, was dem damaligen Bezirksvorsitzenden sauer aufstieß. Alkohol und Sport „vertragen sich nun mal nicht“, teilte er den Neidlingern in einem geharnischten Brief mit. Er prangerte scharf an, „ein Springen nach alkoholischem Namen zu nennen“. Zudem habe er bei der Veranstaltung „eine saubere, sportliche Note“ vermisst. Dem Namen Kirschwasserspringen sei „in negativem Sinne alle Ehre gemacht“ worden. Die Antwort des langjährigen TV-Vorsitzenden Ernst Ruoß folgte prompt. Er und die Skiabteilung seien empört „über den ermahnenden Brief“. Neidlingen sei bekannt für seine Kirschen und den aus ihnen gebrannten Geist. Freilich habe Alkohol im Sport nichts verloren, „aber ich wüsste auch nicht, dass wir bei unserem Springen mit einer Flasche Kirsch Propaganda gelaufen wären“.

Damals seien sogar neue Sprungski mit der Naturalie Kirschwasser bezahlt worden, erinnert sich Fritz Hitzer, der heutige Pressereferent der Skiabteilung. Im Nachhinein beschwichtigt er: „Man hat doch vor dem Springen kein Kirschwasser getrunken, höchstens hinterher einen Schluck.“