Molly Manning Walkers Teenagerdrama „How to have Sex“ erzählt eindrucksvoll von Gruppendruck und Sexzwang. Viel hat sich offenbar nicht geändert in den letzten Jahrzehnten.

Manche Orte auf der Welt erträgt man nur im Alter zwischen 16 und 24. Für die Schulabsolventinnen Tara (Mia McKenna-Bruce), Skye (Lara Peake) und Em (Enva Lewis) ist die Ansammlung von Bierkneipen und Billigdiskos entlang eines Strandes von Kreta noch der reinste Partyhimmel: Eimerweise Alkohol, ohrenbetäubender Techno, Fisch und Chips nachts um drei, kotzen, weiter saufen, Jungs anmachen. Eltern würden diese spezielle Sommerfrische als besonders üble Form der Autoaggression bezeichnen.

 

Deshalb tut Molly Manning Walkers Teenager-Drama „How to have Sex“ auch richtig weh, wenn man mit erwachsenem Blick das Treiben verfolgt. Tara ist die psychisch zerbrechlichste von den Dreien und frustriert, den Abschluss nicht wie ihre Freundinnen geschafft zu haben. Während Skye und Em unbeschwert die Sau raus lassen, trinkt Tara, um ihren Misserfolg zu verdrängen. Als im Hotelzimmer nebenan Badger (Shaun Thomas) und Paddy (Samuel Bottomley) mit ihrer Clique einziehen, verschärft sich für Tara das Gefühl, sie müsse sich bewähren. Em und Skye haben das erste Mal schon hinter sich, Tara aber ist ein Spätzünder und damit angreifbar. Zu Badger findet sie schnell einen Draht, weil der aber bei einer nächtlichen Strandparty betrunken blank zieht und sich von anderen Mädchen befriedigen lässt, wendet sie sich angewidert ab. Und läuft Paddy in die Arme, der sich als tröstender Begleiter anbietet.

Peinliche Rituale

Das Besondere an Molly Manning Walkers scheinbar schlichter Erzählung ist deren realistischer und vollkommen unverstellter Blick auf eine Welt, die für Erwachsene zwar verschlossen ist – weil jeder aber selbst einmal im Alter von Tara, Skye und Em war, kann man sich trotzdem sehr gut in ihnen wieder erkennen. Die peinlichen Rituale, die Fixierung auf Äußerlichkeiten, der permanente Stress, in Sachen Klamotten, Alkohol und Sex mithalten zu müssen; all das war schließlich auch schon in den 1980er- oder 1990er-Jahren üblich.

Wenn Tara ihren Körper in einen neongrünen Hauch von Nichts zwängt und mit großen Augen unter angeklebten XXL-Wimpern hervorschaut, überträgt sich deren Unsicherheit und Einsamkeit unmittelbar. Sexualität war für Teenager schon immer der Gradmesser der eigenen Reife. Tara, Skye und Em aber wachsen in den tabulosen Zeiten von Social Media und YouPorn auf, vermeintlich maximal aufgeklärt, vollgepumpt mit Empowerment-Slogans. Und trotzdem traut sich Tara nicht zu, „Nein“ zu sagen.

Die üblen Folgen von Gruppenzwang und sexualisierter Gewalt beschrieb schon der Amerikaner Larry Clark 1995 im umstrittenen Jugenddrama „Kids“. Manning Walkers Blick auf die Jugendlichen ist weniger sensationistisch, obwohl auch sie die Partys zwischen Kindergeburtstag und Massenorgie in all ihrer Widerlichkeit zeigt.

Wenn Tara im Morgengrauen über die menschenleere, apokalyptisch vermüllte Strandpromenade läuft, barfuß, verheult und bloß mit ihrem neongrünen Fummel bekleidet, wird gut sichtbar, wie verletzlich selbst aufgeklärteste Teenagergenerationen sind.

How to have Sex. GB 2023. Regie: Molly Manning Walker. Mit Mia McKenna-Bruce, Shaun Thomas. 91 Minuten. Ab 12 Jahren