Die Geschichte des King of Rock ’n’ Roll wurde schon oft erzählt. Das Leben von Elvis Presleys Ehefrau schildert nun die Regisseurin Sofia Coppola in ihrem Biopic „Priscilla“ in bittersüßen und auf Hochglanz polierten Filmbildern.

Zuerst sind da nur Priscillas Füße mit rot lackierten Zehennägeln auf nachgebendem rosafarbenen Untergrund. Es könnten fleischig-dicke Blütenblätter sein, die man ihr auf den Weg gestreut hat, aber nach ein paar Sekunden wird klar, dass die Zehen in einen hochflorigen Teppich greifen, makellos, üppig und schalldämpfend.

 

Wahrscheinlich war es klug, einen solchen Teppich in Graceland zu haben, legt Sofia Coppolas Biopic „Priscilla“ über das Leben der Ehefrau von Elvis Presley nah. Wo heute Touristen dem King of Rock ’n’ Roll nah sein wollen, spielten sich zu Presleys Lebzeiten wohl teils hässlich laute Szenen ab. Zumindest in der Darstellung Priscilla Presleys, die an Sofia Coppolas Film mitgeschrieben hat.

Elvis als nachdenklicher Junggeselle

Es ist bekannt, dass Elvis abhängig war von einer bunten Palette an Schmerzmitteln, dass er unter wenig glamourösen Beschwerden wie Bluthochdruck, einem vergrößerten Darm und Schlafstörungen litt. Wie er als Ehemann war, schildert Coppola konsequent aus weiblicher Perspektive, zunächst als schwärmerische Lovestory mit roséfarbenen Akzenten, später in melancholisch verblassten Sepiatönen.

Priscilla (Cailee Spaeny) ist noch ein Teenager, als sie von einem Bekannten Presleys im Diner des US-Army-Stützpunktes in Bad Nauheim nahe Wiesbaden angesprochen wird. Elvis (Jacob Elordi) ist da schon ein Star, umzingelt von Mädchen, wenn er sich in der Öffentlichkeit blicken lässt. Priscilla fühlt sich einsam in Deutschland, in der Schule träumt sie vor sich hin, zu Klassenkameraden hält sie Abstand. Deshalb erlauben ihr die Eltern nach anfänglichem Zögern den Kontakt zu dem zehn Jahre älteren Mann, auch, weil sich Elvis bei ihnen als gottesfürchtiger Gentleman vorstellt, der vor Priscillas Stiefvater, Captain Beaulieu (Ari Cohen), respektvoll strammsteht. Als Militärangehöriger und Privatmann entspricht Elvis so gar nicht dem Bild, das damals von der Presse kolportiert wird.

Den Erinnerungen Priscillas folgend, zeichnet Sofia Coppola den Rockstar als nachdenklichen, einsamen Junggesellen, der zwar mit anderen Frauen intim war, die sexuellen Interessen seiner noch minderjährigen Freundin aber in einer Mischung aus Prüderie und väterlich-autoritärem Gehabe abwürgt. Bis zur Hochzeit, erzählt der Film, wird es beim Händchenhalten und Küssen bleiben. Und auch danach ist Priscilla die treibende Kraft, wenn es um Sex geht.

Der Rockstar hält seine Frau wie einen Schoßhund an der kurzen Leine

Elvis hält seine junge Frau wie einen Schoßhund an der kurzen Leine. Während er zu Dreharbeiten und Auftritten jettet, vergeht sie vor Langeweile. Die konservative Edelkitschkulisse von Graceland wirkt in Coppolas Darstellung wie ein ödes Puppenhaus, mit Priscilla als von Elvis’ zurückgelassenes Spielzeug, das der Star nach seinen Ideen mit Kleidern, Schmuck und sogar Waffen ausstaffiert. Im Verlauf der frühen Romanze und der von Seitensprüngen und sexuellem Frust begleiteten Ehe entwickelt sich Priscilla Presley von der naiven Unschuld vom Lande zur desillusionierten Erwachsenen, die schubweise lernt, das romantische Idol vom realen Menschen zu unterscheiden.

Die Regisseurin Sofia Coppola schildert diesen schleichenden Emanzipationsprozess zahmer und weitaus konventioneller als in ihren anderen Frauenbiografien, vor allem mit mehr Respekt vor den historischen Persönlichkeiten. Während sie die französische Dauphine in „Marie Antoinette“ (2006) erfrischend frech und teils geschichtsvergessen als verzogene, intellektuell unreife Göre inmitten eines pompösen Politzirkus zeichnete, kommt das schlichte, nur in Ansätzen gebildete Mädchen Priscilla besser weg.

Coppola gesteht ihrer Figur die kindliche Blauäugigkeit zu, ohne sie dafür zu verurteilen. Wirkten die lebensmüden Töchter eines prüden Elternpaars in „The Virgin Suicides“ (1999) von einer undurchdringlich mysteriösen Aura umgeben, erscheint Priscilla vergleichsweise bodenständig in ihrer Schwärmerei und ihrem Wunsch, als Ehefrau von Elvis ernst genommen zu werden.

Bittersüßes Unterhaltungskino – sehenswert!

Was die Inszenierung angeht, bleibt Sofia Coppola ihrer in Pastellfarben und Oberflächentexturen schwelgenden Bildsprache treu. Wenn sie Elvis mit Freunden auf einer purpurfarben ausgeleuchteten Rollschuhbahn beim Herumalbern zeigt oder bewundernd mit dem Kameraauge an Priscillas Kleiderauswahl mit jeweils passendem Damenrevolver hängen bleibt, kann man in der Schönheit der Bilder versinken wie Priscillas Füße in der Auslegware des Presley-Anwesens Graceland.

Dieser weibliche Ernüchterungsprozess mag nicht von weltbewegender Bedeutung sein, aber er fügt der bekannten Geschichte eine neue Perspektive zu. Als bittersüßes Unterhaltungskino ist „Priscilla“ wirklich sehenswert.

Priscilla. USA, Italien 2023. Regie: Sofia Coppola. Mit Cailee Spaeny, Jacob Elordi. 113 Minuten. Ab 16 Jahren.

Tod eines Rock’n’Roll-Stars

Familie
Insgesamt verbrachte Priscilla 14 Jahre mit Elvis. Die gemeinsame Tochter des Paars, Lisa-Marie, starb im Januar 2023 infolge eines Darmverschlusses. Als Kind hatte Lisa-Marie den Tod ihres Vaters im Badezimmer mit angesehen. Nach Einnahme diverser Medikamente erstickte Elvis mit dem Gesicht nach unten im dicken Flor eines Teppichs. Seine Ex-Frau Priscilla lebt bis heute, 2024 feiert sie ihren 79. Geburtstag.

Filme
Nach Baz Luhrmanns bild- und tongewaltigem „Elvis“-Biopic (2022) zeichnet Sofia Coppola die weibliche Gegenseite und konterkariert damit die übliche Form der Rockstar-Biografie. 1989 erzählte der Filmemacher Jim McBride in „Great Balls of Fire“ die Geschichte des Rock-’n’-Rollers Jerry Lee Lewis, der sich wie Elvis in eine minderjährige Kindfrau verliebte und mit ihr eine turbulente Ehe führte.