Was das digitale Zeitalter aus und mit Menschen macht, zeigen zwei junge US-Regisseure am Beispiel eines Mutproben-Online-Spiels. Emma Roberts und Dave Franco könnte der Film zu Stars machen.

Stuttgart - Die Realität sei nur noch eine Simulation, glaubte der 2007 verstorbene französische Denker Jean Baudrillard lange vor der Generation Smartphone. Jüngst hätte er sich bestätigt gefühlt, als Menschen sich um Pokémons prügelten, deren rein virtuelle Existenzen wochenlang die realen bestimmten.

 

Nun kommt ein Film zum Phänomen. Die schüchterne Vee gerät in ein Online-Mutproben-Spiel mit Millionenpublikum, findet in Ian einen Partner und hat Erfolg, wobei die Aufgaben härter werden: Einen Fremden im Café küssen? Lustig. Mit verbundenen Augen schnell Motorrad fahren? Schlichtweg selbstmörderisch – ganz zu schweigen davon, an einer Hand an der Spitze eines Kranauslegers zu hängen. Die Spieler stehen unter Dauerbeobachtung, dokumentieren selbst jeden ihrer Schritte wie auch die Zuschauer, die dank GPS-Ortung immer wissen, wo die Spieler sind. Was diese sagen und tun, selbst Stationen eines Sich-Verliebens, das ist öffentlich, das Leben eine einzige Aufführung.

All dies arbeiten die US-Jungregisseure Henry Joost und Ariel Schuman in Netz-Ästhetik auch visuell heraus: In Hochglanz simulieren sie gereihte Handyclips, blenden Displays ein, zeigen die Stadtsilhouette mit den sich bewegenden Namen der Spieler. Die Macher des Spiels sind nicht zu greifen und geben ihrer Show Dynamik, indem sie ihre transparenten Darsteller mit perfiden Methoden erpressen. Bald fragt sich Vee: Kann es legitim sein, Freunde zu verraten? Mitspieler zu benützen?

Roberts balanciert schwindelnder Höhe

Emma Roberts, eine Nichte von Julia Roberts, gelingt als Vee eine bemerkenswerte Wandlung vom Mauerblümchen (für das sie natürlich viel zu attraktiv ist) zum Star im Rampenlicht. Ganz selbstverständlich schlüpft sie in ein exquisites grünes Designerkleid, bringt beim Flirten die Luft zum Vibrieren, balanciert auf einer querliegenden Leiter über schwindelndem Abgrund. Sie kann nun ein Star werden wie ihr Filmpartner, dessen Bruder James Franco bereits einer ist. Dave Franco macht aus Ian einen einnehmenden Charmeur, perfekten Kavalier, strahlenden Helden und meistert auch dessen dunkle Flecken einfühlsam.

Diesem Traumpaar und der inhaltlichen Tiefe stehen leider filmische Patzer gegenüber und ein hanebüchener Schluss. Wer darüber hinwegsehen kann, erlebt in den starken Momenten, was das Digitale aus und mit Menschen macht. Interessant ist das auch für Eltern, die verstehen wollen, womit ihre Nachkommen umgehen: mit einer Simulation von Realität in einem Ausmaß, das sich vielleicht nicht einmal Baudrillard hätte ausmalen können.