Der Technologiekonzern Siemens entwickelt eine App, die die Ampelschaltung in größeren Städten beeinflusst – damit Radfahrer stets freie Fahrt haben. Als erste Stadt wird Bamberg die Anwendung testen.

München - Unter dem Schlagwort Industrie 4.0 baut Siemens nicht nur digital vernetzte Fabriken der Zukunft. Die rund 17 500 Software-Ingenieure des Münchner Technologiekonzerns entwickeln auch immer mehr Apps. Dazu gehört ein Smartphone-Programm zum Auffinden freier Parkplätze für Autofahrer, nun geht es um eine App, die Radfahrern in deutschen Städten eine Grüne Welle entlang ausgewählter Fahrradstraßen bescheren soll. „Wir erleben derzeit einen wahren Fahrradboom in Deutschland,“ sagt Michael Düsterwald. Er ist bei Siemens Projektleiter der Fahrrad-App, auf die im Sommer ein erster Praxiseinsatz wartet.

 

Grüne Wellen für Autos gibt es in deutschen Städten schon lange. Auch Nahverkehrsbusse werden durch spezielle Ampelschaltungen priorisiert. Mit dem Fahrrad komme nun ein drittes Verkehrsmittel in dieses System, erklärt Düsterwald. Als erste Kunden wurden Bamberg und eine weitere Stadt ähnlicher Größe gewonnen, deren Namen der Siemens-Manager noch nicht nennen darf. „Für uns ist Fahrradmobilität ein wichtiges Thema“, erklärt eine Sprecherin der Stadt Bamberg. Ziel sei es, umweltfreundlichen Fahrradverkehr speziell im historischen Stadtgefüge zu stärken. Da komme die Siemens-App gerade recht. „Es ist ein sehr zukunftsorientiertes Projekt, das beinahe etwas wie Science Fiction wirkt und uns wirklich elektrisiert“, sagt die Sprecherin.

Das Handy schickt Signale an die Ampel

Futuristisch mutet das Ganze an, weil eine Ampel immer dann auf Grün schaltet, wenn sich ihr ein Fahrradfahrer nähert. Voraussetzung ist, er führt ein Smartphone mit sich, auf dem die App installiert ist, erklärt der Projektleiter. Etwa 60 Meter vor der Ampel sendet das Handy dann automatisch per GPS und Satellit ein Signal an den Verkehrsrechner der Stadt, der blitzschnell dafür sorgt, dass der Radler bei Grün an der Ampel ankommt. Anders als Grüne Wellen für Autos geht die für Radfahrer also nicht von einer Durchschnittsgeschwindigkeit aus, sondern sie ist bedarfsgesteuert.

Düsterwald kommt gerade von einem Verkehrskongress und da sei das Echo unter den städtischen Verkehrsplanern auf die App recht gemischt gewesen, räumt er ein. Manche seien begeistert, andere lächeln abfällig. „Es kommt oft auf den Bürgermeister an“, weiß der Siemens-Manager. Zehn Kandidaten gebe es hier zu Lande bislang für die seit wenigen Wochen angebotene App. Das sei nicht schlecht, angesichts der 250 bis 300 in Deutschland dafür in Frage kommenden Städte mit mindestens 50 000 bis 100 000 Einwohnern. Drei Monate dauert der wohl im Spätsommer in Bamberg beginnende Praxistest. Danach wollen die Stadt und Siemens unter anderem wissen, wie die Fahrrad-App auf den Autoverkehr wirkt und ob sie Widerspruch bei Autofahrern provoziert. Dazu hat die Stadt eine Fahrradroute definiert, entlang der sieben Ampeln auf App-Empfang geschaltet werden.

Kopenhagen und Amsterdam sind Vorreiter

International seien Kopenhagen und Amsterdam die Vorreiter im Fahrradverkehr, sagt Düsterwald. Dort funktionieren grüne Wellen aber ähnlich wie die für Autos nur mit niedrigerer Durchschnittsgeschwindigkeit. Die App sei dagegen intelligent und relativ kostengünstig. Genaue Preise kann Siemens noch nicht nennen, aber deutlich unter 100 000 Euro jährlich komme die Software inklusive Betrieb auf alle Fälle. Siemens will damit separat Geld verdienen und sieht die App nicht als Verkaufsförderung für eigene Ampelsysteme. Vorerst funktioniert sie allerdings nur dort, wobei Siemens-Ampeln in Deutschland weit verbreitet sind. In ein bis zwei Jahren werde es aber auch eine Version für Siemens-fremde Ampelsysteme geben, verspricht Düsterwald.