Ein Krankenpfleger hat offenbar noch viel mehr Menschen getötet, als bisher angenommen. Doch zu seinen Taten kommt das kriminelle Wegschauen seiner Vorgesetzten, meint die StZ-Autorin Hilke Lorenz.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Oldenburg - Schon allein die Ermittlungen, welche die Angehörigen der Mordopfer über sich ergehen lassen mussten, übersteigen das eigentlich Aushaltbare. 134 weitere Leichen haben die Oldenburger Ermittler exhumieren lassen, um dem furchtbaren Verdacht nachzugehen, dass ein bereits wegen sechsfachen Mordes verurteilter Krankenpfleger seine Patienten nicht umsorgt, sondern getötet hat. 90 weitere Tode gehen zum jetzigen Ermittlungsstand auf sein Konto. Mitten in Deutschland kommt gerade die größte Mordserie der Nachkriegszeit ans Tageslicht.

 

Schutzlos ausgeliefert

Damit bekommt der Fall eine Dimension, die das Zeug hat, eine Gesellschaft in ihren Grundfesten zu erschüttern. Denn Pflegeheime, Krankenhäuser und besonders Intensivstationen sind Orte, an denen sich Menschen schutzlos ausliefern und auf Achtsamkeit und Respekt anderer angewiesen sind. Sie vertrauen darauf, nicht der Willkür einzelner ausgesetzt zu sein.

Wenn wahr ist, dass der Krankenpfleger trotz auffällig hoher Sterberaten in seinen Schichten an andere Kliniken weitergereicht wurde, tut sich ein Abgrund an Bequemlichkeit, mangelnder Zivilcourage, aber auch Abgestumpftheit und krimineller Ignoranz auf. Es braucht offenbar mehr Kontrollen, die greifen, und das stets wach gehaltene Bewusstsein dafür, im Klinikalltag Leben anvertraut zu bekommen.