Neue Gaskraftwerke Union kritisiert Kraftwerksstrategie

Grün statt fossil: Erneuerbare Energien sollen Kohlekraftwerke ablösen. Foto: imago//Christoph Hardt

Die Bundesregierung hat vorgestellt, wie mit einer Hilfskonstruktion die Energiewende gelingen soll. Für die CDU sind dabei aber noch zu viele Fragen offen.

Berlin: Tobias Heimbach (toh)

Dass in diesen Tagen der Wind weht, merkt man nicht nur an den zerzausten Haaren. Das Wetter hat inzwischen immer auch Auswirkungen auf den Strommix hierzulande. Am vergangenen Donnerstag hatten die deutschen Windräder eine große Ausbeute, erzeugten zwei Drittel des gesamten Stroms. Ein Beweis für den Fortschritt bei der Energiewende, mögen Befürworter der gegenwärtigen Energiepolitik denken.

 

Doch es gibt auch andere Tage, den 11. Januar etwa. An diesem Tag erzeugten Windräder gerade einmal 10 Prozent des Stroms. Doch die Menschen im Land, Gewerbe und Industrie können nicht darauf warten, bis das Wetter für ausreichend Elektrizität sorgt. Daher plant die Bundesregierung eine ganze Reihe an Reservekraftwerken aufzubauen. Grundzüge dieser lang erwarteten „Kraftwerksstrategie“ hatte das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) vergangene Woche erstmals vorgestellt. „Ein wichtiger Baustein“, sei die Strategie auf dem Weg zum Stromsystem der Zukunft, sagte Habeck. Doch trotz der vorgestellten Strategie gibt es noch viele offene Fragen.

Schon 2030 soll 80 Prozent des Stroms aus grünen Quellen stammen

In Grundzügen scheint die Kraftwerksstrategie simpel: Kraftwerke sollen dann anspringen, wenn die Erneuerbaren nichts liefern. Diese geplanten Kraftwerke sollen zunächst mit Erdgas betrieben werden. Das stößt zwar auch klimaschädliches CO2 aus, ist jedoch bedeutend sauberer als Kohle. Die Gaskraftwerke sollen aber umrüstbar sein, sodass sie ab 2035 auch mit Wasserstoff befeuert werden können. Dieser soll im besten Fall klimaneutral hergestellt werden. Dann stoßen die Kraftwerke kein CO2 mehr aus.

In einem ersten Schritt will die Bundesregierung neue Kraftwerkskapazitäten von 10 Gigawatt ausschreiben und deren Bau fördern. Die Kosten dafür sollen bei rund 16 Milliarden über 20 Jahre liegen. Das Geld dafür soll aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) kommen, der durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts allerdings als überlastet gilt.

In Zukunft müssen viele solcher Kraftwerke entstehen, denn laut Plänen der Bundesregierung sollen schon 2030 ganze 80 Prozent des Stroms durch erneuerbare Energien erzeugt werden. Bis dahin müssen die Reservekraftwerke bereitstehen. Umso mehr, weil SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag auch verabredet haben, die Kohlekraftwerke „idealerweise“ bis Ende des Jahrzehnts abzustellen. Braun- und Steinkohlekraftwerke kommen derzeit zusammen aber auf etwa 28 Gigawatt installierte Leistung, ein bedeutender Teil der konventionellen Kapazität zur Stromerzeugung hierzulande.

Die Industrie in Deutschland fragt zwar immer mehr grünen Strom nach, benötigt aber gleichzeitig Planbarkeit. Es gibt lange Lieferfristen für Rohstoffe, Dienstpläne werden Wochen im Voraus geschrieben. Doch ob an einem Datum ausreichend Wind weht, um Strom aus erneuerbarer Energie zu erzeugen, lässt sich erst mit rund drei Tagen im Voraus sagen. Viele Fabriken lassen sich aber nicht einfach hochfahren, je nachdem, wie der Wind weht.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hegt daher Zweifel am Plan der Bundesregierung: „Für den von der Koalition bis 2030 angepeilten Kohleausstieg kommt der Beschluss reichlich spät“, sagte Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer. Er forderte eine schnelle Konkretisierung der Kraftwerksstrategie.

Dazu gehört insbesondere die Frage, wo die Kraftwerke stehen sollen. Aus Gründen der Netzstabilität werden sie wohl vor allem in Süddeutschland gebaut. Mit den derzeit üblichen Genehmigungs- und Bauzeiten kann die Zielmarke 2030 wohl erreicht werden. Aber es wird knapp.

Ein neues Erlösmodell für die Reservekraftwerke

Entscheidend für den Erfolg der Kraftwerksstrategie ist zudem ein neues Erlösmodell. Da die Reservekraftwerke nicht ständig, sondern nur im Ausnahmefall laufen sollen, soll nicht nur für die tatsächlich erzeugte Energie bezahlt werden, sondern für das Bereithalten. Ein sogenannter Kapazitätsmarkt.

„Beim Kapazitätsmarkt kommt es auf die richtige Balance an. Es darf keine Unterdeckung geben, aber überdimensionierte Reservekapazitäten machen das System teurer“, sagt Finn Ole Semrau, Energieexperte am Kieler Institut für Weltwirtschaft, im Gespräch mit dieser Redaktion.

Doch Deutschland muss sich nach Ansicht des Experten nicht vollständig selbst versorgen. „Wir haben in Europa einen gut funktionierenden Strommarkt, daher sollte man auch die Möglichkeiten nutzen, bei Bedarf Strom zu importieren“, sagt Semrau.

Die Opposition kritisiert die Kraftwerks-Pläne der Bundesregierung. Jens Spahn (CDU), stellvertretender Fraktionschef der Union im Bundestag, sagte dieser Zeitung: „Diese sogenannte Kraftwerksstrategie ist eher ein taktisches Stückwerk, um irgendwie gesichtswahrend über die Legislatur zu kommen.“ Damit könne man das Vertrauen in die deutsche Energiesicherheit nicht wieder herstellen. Zu viele Fragen seien weiterhin offen: „Wann geht es mit Ausschreibungen los? Wann ist Spatenstich? Wo werden die Kraftwerke gebaut? Ist die Finanzierung aus dem völlig überbuchten KTF gesichert?“, kritisierte Spahn. „Die Ampel muss raus aus dem Ankündigungsmodus und Fakten schaffen“, forderte er. Nur dann werde die Verunsicherung bei Bürgern und Unternehmen kleiner.

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