Manche Kommunen wollen mehr Flüchtlinge aufnehmen. Doch dabei begegnen sie erheblichen Schwierigkeiten, oft scheitert der Plan. Ein Zusammenschluss europäischer Städte will neue Wege in der Flüchtlingspolitik gehen.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron fordert finanzielle Unterstützung für europäische Städte in der Flüchtlingspolitik. Der Deutsche Städte- und Gemeindetag hingegen ruft immer wieder nach einem Zuzugsstopp für überlastete Kommunen und will das als Hilferuf verstanden wissen, wie Uwe Lübking, zuständig für Kultur, Sport und Demografie- und Arbeitsmarktfragen, sagt. Der Vorstoß, den sein Verband als Interessenvertreter der Gemeinden jüngst gemacht hat, sei eine Reaktion auf fehlende Infrastruktur wie Wohnraum und Kindergartenplätze in vielen Kommunen. Die Ursache sieht er in der fehlenden Wohnsitzauflage für Flüchtlinge und anerkannte Asylbewerber. Lübking ist überzeugt: Flüchtlingspolitik lasse sich nur auf nationaler Ebene betreiben. Dass ein Engagement einzelner Städte oder Kommunen erfolgreich sein kann, bezweifelt der Jurist.

 

Damit spricht der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände aber nicht für alle Städte und Gemeinden in Deutschland. Bereits jetzt versucht ein Verbund einiger Städte auf europäische Ebene, eine eigene Flüchtlingspolitik auf den Weg zu bringen.

Das braucht noch Überzeugungsarbeit. Aber die Politologin und SPD-Politikerin Gesine Schwan, die zu den Mitinitiatorinnen dieser Idee zählt, ist optimistisch, dass im nächsten EU-Haushalt Geld bereitgestellt wird. Ganz im Sinne Emmanuel Macrons. Denn dass Flüchtlingspolitik auch anders gehen könnte, haben immer wieder einzelne Städte versucht. Manche aus purer Hilfsbereitschaft, andere mit dem Blick auf die Chancen, die der Zuzug von Neubürgern auf die Stadtentwicklung haben könnte.

Osnabrück wollte Flüchtlinge aus Idomeni aufnehmen

Beispiel Osnabrück: Als die Zustände und damit auch die Berichte über die Flüchtlingsaufnahmelager auf der griechischen Insel Idomeni immer unerträglicher wurden, fasste der Stadtrat von Osnabrück mehrheitlich einen Beschluss. Mit Ausnahme der CDU schlossen sich die Mitglieder des Rates im Juni 2016 den Forderungen der Osnabrücker Initiative „50 Flüchtlinge aus Idomeni“ an und forderten die zuständigen Stellen auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene auf, „darauf hinzuwirken, dass Familienmitglieder von in Osnabrück lebenden Geflüchteten und ihnen nahestehenden Personen, die derzeit in Griechenland unter unwürdigen Bedingungen leben, schnell mit ihren Angehörigen in Osnabrück zusammengebracht werden “. Die Idee sollte eine Geste der Mitmenschlichkeit sein, und die 50 Personen sollten auf das Kontingent der Stadt angerechnet werden. Handlungsgrundlage für die Aktion sollte das sogenannte Relocationprogramm der EU sein, durch das schutzbedürftige Menschen von einem Land der EU in ein anderes umgesiedelt werden sollten. Kritiker fragten sich damals schon, nach welchen Kriterien man die 50 Menschen auswählen könne. Man hielt sich dann aber an den Gedanken, besser 50 Menschen zu holen, als Hunderttausend nicht zu holen, erinnert sich Sven Jürgensen, der Pressesprecher der niedersächsischen Stadt. Letztlich wurde aus dem Plan aber nichts. „Es scheiterte an allem“, sagt Jürgensen, „die Hürden waren einfach zu hoch.“ Nicht einmal der ehemalige Osnabrücker Oberbürgermeister und damalige niedersächsische Innenminister Boris Pistorius konnte helfen. Man scheiterte an der europäischen Asylpolitik.

Altena sah den Zuzug von Flüchtlingen als Wachstumschance

Beispiel Altena: Die nordrhein-westfälische Stadt mit 17 000 Einwohnern, die bis 2015 sinkende Einwohnerzahlen vermeldete, sieht den Zuzug von Flüchtlingen als Wachstumschance. Der Bürgermeister Andreas Hollstein stand für diese Idee, tut es heute noch. Doch Hollstein hat einen hohen Preis dafür bezahlt. Im November wurde er von einem Mann mit einem Messer angegriffen und verletzt. Der Täter war ein erklärter Gegner der von Hollstein vorangetriebenen Flüchtlingspolitik.

Auch jenseits dieses Verbrechens war viel Anstrengung nötig, die Bezirksregierung und auch die Landesregierung von dem Plan zu überzeugen. In Hochzeiten nahm die Gemeinde 450 Asylsuchende auf, darunter vor allem Familien mit vielen Kindern. Stefan Kemper, Hollsteins Stellvertreter, kann sich durchaus vorstellen, ein Angebot anzunehmen, wie es Emmanuel Macron vorgeschlagen hat.

Den Niedergang des eigenen Ortes aufhalten

Beispiel Friedland: Auch die mecklenburgische Stadt Friedland kämpfte um mehr Flüchtlinge und sah darin die letzte Chance, den Niedergang seines Ortes aufzuhalten. Wohnraum gibt es schließlich genug. Doch der Plan sei nicht aufgegangen, sagt Rita Maske, die stellvertretende Bürgermeisterin. „Es scheitere daran, dass wir keine Arbeitsplätze bieten können.“

Doch dass Bündnisse von europäischen Städten etwas bewegen können, zeigt auch Dresden. In dem Städtebund „Cities Grow“ bildet die sächsische Landeshauptstadt ein Tandem mit dem französischen Nantes. Dresden will seine Integrationsbestrebungen allgemein verbessern, sagt Dominic Heyn, der persönliche Referent der Sozialbürgermeisterin. Nicht nur gegenüber Flüchtlingen.

Zusammenschluss der Städte

Die 16 Städte Athen, Barcelona, Birmingham, Brighton & Hove, Dresden, Danzig, Gent, Helsinki, Lissabon, München, Nantes, Nikosia, Riga, Rotterdam, Tampere und Utrecht haben sich zum Projekt City Grow zusammengeschlossen. Sie wollen in Sachen Integration zusammenarbeiten.

München hat in dem bis 2019 angelegten Projekt Athen als Partner und wirkt dort unterstützend. Dresden will von Nantes lernen.