Der Andrang im Ludwigsburger Marstall ist ungebrochen hoch – offenbar nimmt das neue Einkaufszentrum dem alten viele Kunden weg. Manche Händler sprechen von ernsten Problemen.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Vom einstigen Optimismus ist nur wenig übrig geblieben. Als Ende 2012 der Gemeinderat die Hamburger Projektentwicklungsgesellschaft ECE damit beauftragte, das marode und leer stehende Marstallcenter in der Ludwigsburger City wiederzubeleben, äußerte sich auch das Center-Management der Wilhelm-Galerie zu den Plänen. Immerhin liegen die beiden Einkaufszentren nur rund 300 Schritte voneinander entfernt, und allen Beteiligten war bewusst: die 2007 eröffnete Galerie wird mit dem revitalisierten Marstall einen mächtigen Konkurrenten bekommen, mit deutlich mehr Geschäften und zehntausend Quadratmeter mehr Verkaufsfläche. Dennoch sagte Stefan Günther, der Manager der Galerie, damals selbstbewusst: „Ich sehe die Möglichkeit, dass beide Häuser voneinander profitieren.“ Das neue Marstall werde auf Angebote setzen, die derzeit in der Innenstadt fehlen. Das sei für alle eine Chance.

 

Seit Ende September ist das Marstall fertig und offen, und Stefan Günther sagt nichts mehr zu dem Thema. Journalisten, die beim Center-Management der Galerie anrufen, werden höflich weiterverwiesen: an die Pressestelle der Multi Mall Management GmbH in den Niederlanden, denn die betreibt das Haus in Ludwigsburg. Doch die zahllosen Anrufe dort nutzen nichts, denn unter der Nummer meldet sich niemand, und einen Anrufbeantworter kennt man bei der Gesellschaft offenbar nicht.

Der Kundenandrang sei rapide eingebrochen, heißt es

Aber einige Ladenbetreiber und Verkäufer sagen etwas zur aktuellen Situation, manche zwar nur anonym, aber aus den Aussagen ergibt sich ein Gesamtbild: die Hoffnung, dass Marstall und Galerie sich gegenseitig befruchten, haben nur wenige. Im Gegenteil. „Rapide eingebrochen“ sei der Kundenandrang, sagt Patric Ehret, der in der Wilhelm-Galerie das Telekommunikationsgeschäft The Phone House leitet. Vorher sei in den Passagen viel mehr Durchfluss gewesen. Derzeit könne er nicht abschätzen, ob dies „zu einem echten Problem“ werde.

Auch die Verkäuferin eines Schmuckladens hofft auf eine Trendumkehr. „Noch ist das Marstall neu und deswegen sind alle neugierig.“ Sie gehe davon aus, dass diese Neugierde wieder nachlasse, erzählt die Frau und blickt auf den Gang vor ihrem Geschäft. „Es ist Freitagmittag, es müsste viel los sein, aber es ist ruhig geworden.“ Sie schätze, dass die Kundenfrequenz in der Wilhelm-Galerie seit der Marstall-Eröffnung um knapp die Hälfte zurückgegangen sei. Manchmal blicke sie in die Läden der großen Ketten und sehe darin überhaupt keine Kunden. „Das gab es früher so nicht.“

Breuninger ist keine Konkurrenz, das Marstall schon

Ähnliche Beobachtungen hat die Inhaberin eines anderen Geschäfts gemacht, die ebenfalls nicht namentlich genannt werden will. „Wir spüren schon jetzt einen Umsatzrückgang“, sagt sie. Das Breuningerland am Stadtrand sei für die Galerie keine direkte Konkurrenz, das neue Marstall schon. „Gerade das jüngere Publikum strömt dorthin und fehlt hier.“ Die Zukunft werde zeigen, ob es „wirklich eine so gute Idee war, dass hier nun zwei Einkaufszentren so nah beieinander stehen. Ich glaube, das wird ein ernstes Problem.“

Einheitlich ist das Bild nicht. Susanne Raiser, Verkäuferin im Uhrengeschäft Taim, sieht die Galerie nicht in der Krise. „Am Anfang sind alle ins Marstall gerannt, aber das normalisiert sich wieder“, sagt sie. „Wir merken keinen Kundenrückgang.“ Auch die Verkäuferin eines Schokoladengeschäfts berichtet, dass die Marstall-Eröffnung keine Auswirkungen auf den Verkauf gehabt habe. „Allerdings gibt es dort kein ähnliches Geschäft, also auch keine neue Konkurrenz für uns.“

Das neue Zentrum übertrifft die Erwartungen

Im Marstall herrscht derweil, glaubt man den Betreibern, eitel Sonnenschein. Die Centermanagerin Anne Marschner ist jedenfalls auskunftsfreudig und präsentiert gute Zahlen: allein in der Eröffnungswoche seien 200 000 Kunden gekommen, und danach sei es sehr gut weitergegangen. Mit durchschnittlich 15 000 bis 18 000 Besuchern an Werktagen liege man über den selbst gesteckten Zielen, am vergangenen Samstag habe man 32 000 Gäste gezählt. „Wir sind wirklich rundum zufrieden.“

Das gilt auch für die Geschäfte im Umfeld, also zwischen dem Marstall und der Wilhelm-Galerie. Vor allem der untere Teil der Fußgängerzone war lange tot und erwacht gerade wieder zum Leben. Ulrike Matthes, die im Sneakergeschäft Brown unweit des Marstalls arbeitet, sagt, die Fußgängerzone sei sichtbar voller als früher – zumindest an Tagen mit halbwegs gutem Wetter. „Wir spüren das auch am Umsatz.“ Der habe sich zwar nicht verzehnfacht, sei aber gestiegen. „Bei uns ist so viel los wie seit vielen Jahren nicht“, erzählt die Verkäuferin einer Bäckerei in der Nähe. Die Arbeit sei dadurch stressiger geworden. „Aber darüber freuen wir uns natürlich.“