Ausstellungen über Menschen und ihre direkte Lebenswelt wecken das Besucherinteresse in den Heimatmuseen – die Personalisierung wird zu einem Erfolgskonzept. Nicht nur das Gerlinger Stadtmuseum wandelt sich.

Gerlingen - Das Mädchen auf dem Klassenfoto steht ein wenig schüchtern einen halben Schritt hinter der ersten Reihe. Gleich neben dem Bild in der Vitrine liegt eine alte Schultasche aus abgegriffenem braunen Leder. Ein Stück weiter sind Lese- und Rechenbücher ausgestellt, Griffelkästen, ein selbstgeschriebener Stundenplan und Häkelarbeiten. Doris und Fritz Ludmann strahlen, als sie sich die Ausstellung über das Schulwesen im Gerlinger Stadtmuseum anschauen. Das schüchterne Mädchen auf dem Klassenfoto – das ist sie selbst, Doris Ludmann. Auch andere Gerlinger sind mit Schul-Utensilien in der Ausstellung vertreten, die am kommenden Sonntag zu Ende geht.

 

Das Geheimnis steigender Besucherzahlen

Personalisierung sei eines der Geheimnisse hinter den steigenden Besucherzahlen, sagt die Museumsleiterin Catharina Raible – eine Erfahrung, die auch ihre Kolleginnen der anderen Stadt- und Heimatmuseen im Strohgäu machen. Beziehungen zu schaffen zwischen Menschen und Gegenständen sei heutzutage nötig, um besucherträchtige Ausstellungen anzubieten. Deshalb wandte sich das Stadtmuseum in Ditzingen an die Bevölkerung mit der Bitte, Gegenstände mit Bezug zur Geschichte der Stadt einzureichen. „Sammlungsschätze“ nannte die Museumsleiterin Nina Hofmann diese Aktion – mit großem Echo.

Sabine Rathgeb vom Heimatmuseum in Münchingen holte „Frauen der Reformation und des Pietismus“ in ihre Räume. Mit der Schau „Ordnung“ packte sie die Schulgeschichte zusammen mit der künstlerischen Aufarbeitung des Themas. Auch im Etterhof in Hemmingen verweisen viele Ausstellungsstücke aus Landwirtschaft und Handwerk auf Personen aus dem Ort.

Schule ganz persönlich haben Doris und Fritz Ludmann in Gerlingen mit ihren Exponaten dargestellt, nicht nur mit dem fast 70 Jahre alten Ranzen oder Klassenfotos. Er kam 1946 in die Schule, sie 1950. Was fällt den beiden ein, wenn sie den Raum im ersten Stock des Alten Schulhauses in der Weilimdorfer Straße betreten? Früher war das ihr Klassenzimmer, heute ist es ein Museum. „Wir waren 94 in unserem Jahrgang“, berichtet Fritz Ludmann, der auch früher schon Material für andere Ausstellungen besorgte, „je eine Klasse Mädchen und Buben“. Erich Braunmüller, sein Lehrer in der dritten und vierten Klasse, taucht auch in einem Buch auf, das Ludmann über die Schulzeit gestaltet hat und das den Zusammenhalt des Jahrgangs dokumentiert.

Beide hatten dieselben Lehrer

Ludmann und seine spätere Frau hatten, um vier Jahre versetzt, dieselben Lehrer. Frida Dorner unterrichtete die Klassen eins und zwei. Sie sei „sehr giftig“ gewesen, meint Doris Ludmann, „sie hat einem die Schule vergällen können“. Tatzen – Schläge mit dem Stöckchen auf die Hand – hätten dazu gehört. „Rechnen war in Ordnung“, meint die 73-Jährige, „Rechtschreibung für mich eine Katastrophe“, Handarbeit und Sport ihre Lieblingsfächer.

Eine Erinnerung haben beide, die sich dann 1963 kennenlernten, gemeinsam: An die „Hoover-Speisung“ Ende der vierziger Jahre – das Mittagessen, das die Schüler in den Henkelmann bekamen, gestiftet von Amerikanern und benannt nach deren früherem Präsidenten Herbert Hoover. „Da sind wir Schlange gestanden an der Jahnhalle“, weiß Fritz Ludmann. Sein Klassenkamerad Rudolf Sickinger erinnert sich noch an die Beschäftigung am Nachmittag: „Wir mussten auf dem Feld helfen, die Hausaufgaben waren ein Kapitel für sich.“

Bürger einbeziehen“ – diesen „partizipativen Ansatz“ verfolgt Catharina Raible. „Ohne die Mithilfe der Menschen wäre eine gut funktionierende Museumsarbeit nicht möglich.“ Deshalb soll es auch deutlich mehr Angebote für Kinder geben – denn die würden auch Erwachsene ins Museum bringen. Kooperationen gehe man ein mit Vereinen, Kirchengemeinden, der Volkshochschule, Firmen, dem Weltladen oder der Jugendmusikschule. Die Zahlen geben der Historikerin recht: 2000 Besucher waren in der Schulausstellung. So viele Menschen kamen 2010 im ganzen Jahr. Diese Zahl ist auf 6000 bis 7000 gewachsen. Die Menschen interessiert nicht nur die Schultasche der Nachbarin. Aber auch die.