Dass man im Spiel "1378 (km)" als DDR-Grenzsoldat auf Flüchtlinge schießen darf, erregt viele bereits vor der Veröffentlichung.

Leben: Ricarda Stiller (rst)
Karlsruhe - Zum Tag der deutschen Einheit hätte die Premiere in der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe stattfinden sollen. Als jedoch die "Bild"-Zeitung im Vorfeld von einem "widerwärtigen Computerspiel" sprach, in dem der Spieler als DDR-Grenzsoldat Republikflüchtlinge töten müsse, wurde die Veranstaltung abgesagt. Die Kritik um das Spiel "1378 (km)" – so lang war die innerdeutsche Grenze bis zum Mauerfall – des 24-jährigen Studenten Jens M. Stober kochte so hoch, dass der Rektor der Hochschule, der Philosoph Peter Sloterdijk, die Präsentation verschob.

Gleichwohl stellt sich die Hochschule hinter das Spiel: Es habe einen "hohen moralischen und künstlerischen Anspruch". In dem Computerspiel, das wie ein Ego-Shooter aufgebaut ist und online gespielt wird, können die Nutzer sowohl die Perspektive eines Republikflüchtlings als auch die eines Grenzsoldaten einnehmen, der schießen und auch den unbewaffneten Flüchtling töten kann. Wenn der Soldat mehr als dreimal schießt, wird er aus dem Spiel genommen und muss sich in einem Prozess verantworten.

"Fehlender Respekt vor den Opfern"


Das Spiel ist nicht kommerziell und aus Sicht der Hochschule ausschließlich als künstlerisches Projekt zu betrachten. Die Hochschulleitung betont, das Spiel sensibilisiere gerade eine junge Generation, welche die innerdeutsche Grenze nicht aus eigener Anschauung kenne. Der Entwickler selbst sagt dazu: "Vielleicht hat mir ein bisschen die Sensibilität für das Thema gefehlt. Ich habe mich zwar intensiv mit der Thematik beschäftigt, aber mir fehlt einfach der direkte Zugang, wie meiner gesamten Generation. Ich glaube nicht, dass man mir das zum Vorwurf machen kann."

Der Termin am 3. Oktober war abgesagt worden, weil man zur "Versachlichung der Diskussion" beitragen wollte. Doch auch vor der angekündigten Präsentation gab es wieder heftige Kritik. So hat sich der Stasiexperte Hubertus Knabe zu Wort gemeldet. Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen ist bekannt für seine medienwirksamen Auftritte. Er appellierte diese Woche an die Verantwortlichen, das Spiel über den Schießbefehl "aus Respekt vor den Opfern" nicht ins Internet zu stellen.

Ein Sprecher der Hochschule versichert, dass die Präsentation dieses Mal auf jeden Fall stattfinden werde. Begleitet wird die Premiere von einer Podiumsdiskussion, an der neben Rektor Sloterdijk und Student Stober auch der Künstler Michael Bielicky und der Kulturtheoretiker Heiner Mühlmann teilnehmen werden.