Neues Tanzstück von Eva Baumann „Krieg und Flucht zerstören Lebenspläne“

Die Tänzerinnen Bar Gonen, Eva Baumann und Aurora Bonetti treten in „Nadezhda“ in Dialog mit der Generation ihrer Großmütter. Foto: Eva Baumann Cie./Ingo Jooß

Die Stuttgarter Choreografin Eva Baumann begibt sich in ihrem neuen Tanztheaterstück „Nadezhda“ auf die Spuren ihrer Großmutter, die 1944 aus Odessa flüchten musste.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Mit den Mitteln von Tanz und Figurentheater erzählt die Stuttgarter Choreografin Eva Baumann von Flucht und Verlust, aber auch von der Hoffnung auf Ankommen. „Nadezhda“ ist der zweite Teil der Trilogie „Zeit/Geist“, die sich mit der Psychologie des Fremdseins beschäftigt.

 

Frau Baumann, Ihr neues Stück, das Flucht und Fremdsein behandelt, trägt einen Frauennamen. Was hat es damit auf sich?

Das Wort „Nadezhda“ steht in vielen osteuropäischen Sprachen auch für Hoffnung. Auf der Suche nach der Herkunft meiner Großmutter, die 1944 aus Odessa fliehen musste, bin ich auf einen Ort in Bessarabien mit diesem Namen gestoßen. Dass er zugleich eine Person benennt, passt zur Botschaft meines Stücks, dass einen die Hoffnung am Leben hält.

Probenfoto „Nadezhda“ Foto: EBC/Ingo Jooß

Flucht ist ein Trauma, das sich in immer mehr Biografien einschreibt. Welche Übereinstimmungen fanden Sie beim Blick auf verschiedene Schicksale?

Es bedeutet, dass man unfreiwillig seine Heimat mit allen Konsequenzen verlässt. Flüchtlinge müssen eine neue Sprache und oft auch einen neuen Beruf erlernen, sie müssen Träume begraben. Krieg zerstört Lebenspläne. Meine Großmutter wollte eigentlich Medizin studieren, aber dann ging es darum, ein Land wieder aufzubauen, und sie landete auf einem Amt.

Trifft das Gefühl des Fremdseins nur Geflüchtete?

In „Nadezhda“ geht es eigentlich um die Angst vor dem Fremden. Warum trifft sie so viele, und was heißt das in der aktuellen Situation? Ist die Angst davor, dass sich so viele Menschen auf den Weg zu uns machen vielleicht auch die Angst davor, das Eigene zu verlieren? Und was ist das überhaupt: Heimat, Wurzeln?

Viele Fragen – was entsteht daraus auf der Bühne?

Ich greife zum Beispiel die Anekdoten meiner Großmutter, die auf einem Weingut groß geworden ist, aber auch die Leerstellen im familiären Storytelling auf. Die Stimmung auf dem Land wollte ich mit einer gewissen Leichtigkeit einfangen. Da tauchen zum Beispiel Volkstänze auf, die ich mit traditionellem Erbe assoziiere. Andererseits aber auch das ungreifbare Gefühl der Heimatlosigkeit. Mir geht es aber auch um die weibliche Perspektive auf diese Generation von Frauen und ihre Erfahrungen.

„Nadezhda“ bezeichnen Sie als figurales Tanztheaterstück. Was heißt das?

Die Arbeit mit Objekten bietet sich an, um etwas, das sehr emotional ist, auf eine sinnliche Ebene zu bringen. Objekte sind wie Mediatoren für menschliche Konflikte. Konkret kommen Puppenköpfe ins Spiel, die eine Figurenbauerin nach dem Vorbild unserer Großmütter abgeformt hat und mit denen wir drei Tänzerinnen interagieren. Außerdem schlüpfen wir wortwörtlich in die Kleider unserer Omas.

Info

Termin
Premiere ist am 18. April um 20 Uhr im Fitz; weitere Vorstellungen vom 19.-21 April jeweils um 20 Uhr, am Sonntag um 16 Uhr

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